Im April haben wir uns mit dem Thema einer grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung von Schweizer Unternehmen in Österreich beschäftigt. Dieser Beitrag soll nun die wesentlichsten Aspekte beleuchten, die (ausländische) österreichische Unternehmen zu beachten haben, wenn sie grenzüberschreitend (dh. ohne Gründung einer Niederlassung) in der Schweiz tätig werden wollen.*
Das Freizügigkeitsabkommen, welches zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossen worden ist, gewährt Dienstleistungserbringenden kein generelles Recht auf Einreise und Aufenthalt zur Erbringung einer Dienstleistung in der Schweiz. Die nachfolgenden Ausführungen zeigen kurz auf, welche Formalismen beachtet bzw. eingehalten werden müssen.
Die Regelungen betreffend Einreise und Aufenthalt sind je nach Art der Dienstleistung unterschiedlich. Zu unterscheiden sind zwei Arten von Dienstleistungserbringungen und zwar:
1. Dienstleistungserbringung im Rahmen von Dienstleistungsabkommen (DLA) zwischen der Schweiz und der EU
In den Bereichen, in denen ein DLA zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossen wurde (wie beispielsweise das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen, das Luft- oder Landverkehrsabkommen), darf die Dienstleistungserbringung nicht durch die Bestimmungen über den Personenverkehr behindert werden. Personen, die in Anwendung dieser Abkommen Dienstleistungen erbringen, gewährt das Freizügigkeitsabkommen das Recht auf Einreise und Aufenthalt während der ganzen Dauer der Tätigkeit.
Dienstleistungserbringende, die eine Dienstleistung von mehr als drei Monaten bzw. 90 Tagen pro Kalenderjahr, im Rahmen eines speziellen Dienstleistungsabkommens erbringen, wird grundsätzlich eine Kurzaufenthaltsbewilligung „L EU/EFTA“ erteilt. Die Bewilligungsdauer entspricht der Dauer der Dienstleistung. Es besteht nur ein Anspruch auf geografische Mobilität im Rahmen der bewilligten (gemeldeten) Dienstleistung. Für Dienstleistungen mit einer Dauer von höchstens drei aufeinander folgenden Monaten oder von 90 effektiven Arbeitstagen pro Kalenderjahr wird keine Bewilligung benötigt. Die Dienstleistungserbringenden müssen jedoch Dienstleistungen von mehr als 8 Tagen pro Kalenderjahr mittels elektronischem Meldeverfahren der am Einsatzort zuständigen kantonalen Behörde melden. Die Meldung muss die zuständige kantonale Behörde spätestens 8 Tage vor Arbeitsbeginn erreichen.
2. Dienstleistungserbringung außerhalb von Dienstleistungsabkommen
Bei der Dienstleistungserbringung außerhalb von DLA gilt es danach zu unterscheiden, ob die Tätigkeit weniger als 90 Tage pro Kalenderjahr oder länger andauert.
Die 90 Tage im Kalenderjahr gelten pro Dienstleistungserbringenden (Person) und pro Unternehmen. Dabei ist es irrelevant, wie viele Mitarbeitende ein Unternehmen pro Tag in die Schweiz entsendet – dem Unternehmen wird jeweils nur ein Tag verrechnet.
2.1 Dienstleistungserbringung mit einer Dauer von bis zu 90 Tagen pro Kalenderjahr
Außerhalb von DLA erhalten die Dienstleistungserbringenden das Recht, sich in einen anderen Vertragsstaat zu begeben und dort Dienstleistungen während einer Dauer von höchstens drei Monaten bzw. 90 Tagen im Kalenderjahr zu erbringen (z.B. um einen Servicevertrag in der Schweiz auszuführen). Laut Entsendegesetz müssen die Arbeitsbedingungen und Löhne der entsandten Arbeitnehmenden den gesetzlichen Vorschriften der Schweiz entsprechen.
Hinzuweisen ist, dass für Dienstleistungen mit einer Dauer von höchstens drei aufeinander folgenden Monaten oder 90 effektiven Arbeitstagen im Kalenderjahr keine Bewilligung benötigt wird. Es muss jedoch eine Anmeldung per Online-Meldeverfahren erfolgen.
Selbstständige Dienstleistungserbringende und entsandte Arbeitnehmende müssen Dienstleistungen von mehr als 8 Tagen pro Kalenderjahr mittels elektronischem Meldeverfahren den zuständigen Behörden melden. Die Meldung muss bei den zuständigen Behörden spätestens acht Tage vor Arbeitsbeginn einlangen.
ACHTUNG: Bei Tätigkeiten in folgenden Branchen hat die Meldung unabhängig von der Dauer des Einsatzes bereits vom ersten Tag an zu erfolgen:
- Bauhauptgewerbe (Hoch-und Tiefbau) und Baunebengewerbe
- Garten-und Landschaftsbau
- Hotel-und Gastgewerbe
- Reinigungsgewerbe in Industrie und Privathaushalten
- Überwachungs-und Sicherheitsdienst
- Gewerbe der Reisenden
- Erotikgewerbe
Arbeitnehmende mit Staatsangehörigkeit eines Staates, der nicht der EU/EFTA angehört, dürfen nur entsandt werden, wenn sie dauerhaft auf dem regulären Arbeitsmarkt in einem EU/EFTA-Mitgliedsstaat zugelassen sind (dh. sie müssen seit mindestens 12 Monaten im Besitz einer Aufenthaltskarte oder einer Daueraufenthaltskarte sein).
2.2 Dienstleistungserbringung mit einer Dauer von mehr als 90 Tagen pro Kalenderjahr
Eine Dienstleistungserbringung, die länger als drei Monate bzw. 90 Arbeitstage im Kalenderjahr dauert und nicht in den Geltungsbereich eines DLA fällt, wird nicht durch das Freizügigkeitsabkommen geregelt.
Das bedeutet, dass sich die Formalitäten bzw. die Zulassung zum Arbeitsmarkt sich nach dem Ausländer- und Integrationsgesetz (kurz „AIG“) richten. Diese Dienstleistungen unterliegen der arbeitsmarktlichen Prüfung (gesamtwirtschaftliches Interesse der Schweiz, Kontrolle der Lohn-und Arbeitsbedingungen, Qualifikationen) sowie der Kontingentierung.
Ausnahmen beim Personalverleih (Arbeitskräfteüberlassung)
Ein Aspekt, den es im Zusammenhang mit der Entsendung von Arbeitnehmern in die Schweiz noch hervorzuheben gilt, ist der Personalverleih (Arbeitskräfteüberlassung): Da der Bereich der Arbeitsvermittlung und des Personalverleihs explizit aus dem Freizügigkeitsabkommen ausgeschlossen worden sind, ist der Personalverleih vom Ausland in die Schweiz nicht erlaubt. Die Zuwiderhandlung wird mit einer verwaltungsstrafrechtlichen Geldstrafe bis zu CHF 40.000,-- geahndet. Erlaubt ist hingegen die Verleihung von Arbeitskräften innerhalb eines Konzerns unter der Voraussetzung, dass das ausländische Unternehmen und das schweizerische Unternehmen zum gleichen Konzern gehören.
Arbeitsrechtliche Aspekte
Abschließend noch kurz ein paar Hinweise bezüglich des Arbeitsrechts: Unternehmen, die ihr Personal in die Schweiz entsenden wollen, müssen nachweisen, dass sie die in der Schweiz geltenden Arbeits- und Lohnbedingungen einhalten. Der Arbeitgeber hat den entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor allem die Arbeits- und Lohnbedingungen zu garantieren, die im Entsendegesetz und in der Entsendeverordnung vorgeschrieben sind. Außer den Bestimmungen über die minimale Entlohnung müssen diese Unternehmen auch die geltenden Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einhalten (insbesondere in folgenden Bereichen: Arbeits-und Ruhezeit, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Schutz von Schwangeren und Wöchnerinnen). Die Einhaltung dieser Bedingungen wird regelmäßig kontrolliert. Bei einem Verstoß drohen empfindliche Sanktionen.
Achtung: Im Dezember 2022 haben wir eine aktualisierte Version dieses Artikels veröffentlicht.
Autor: Lic. iur. Michael Pérez
Michael Pérez ist Rechtsanwalt und Partner bei PRP Rechtsanwälte. Er hat seine juristische Ausbildung in der Schweiz abgeschlossen und war anschließend für einige Jahre in der Schweiz als Rechtsanwalt tätig. Seine Anwaltszulassung in Österreich erhielt er im Jahre 2006 und betreut seither von Wien aus speziell Mandanten mit bilateralen Verbindungen in die Schweiz und nach Österreich nach dem „One-Stop-Shop“-Prinzip. Der Fokus ist hier vor allem auf Rechtsfragen rund um Betriebsansiedlungen sowie grenzüberschreitende Vertriebs- und Handelstätigkeiten angelegt.
*Im Sinne einer besseren Lesbarkeit des Texts wurde entweder die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts. Frauen und Männer mögen sich vom Inhalt dieses Blogs-Beitrags gleichermaßen angesprochen fühlen. Danke für Ihr Verständnis!
FOTOS: Perez, Shutterstock
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