Christian Diewald ist seit einem Jahr CEO von Stadler Rail in Österreich und seit vergangenem Dezember Direktionsrat der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein (HKSÖL). Unser Ehrenpräsident Heinz Felsner hat ihn besucht und mit ihm über die USP von Stadler Rail und den Unterschied zwischen Staatsbahnen und Privatbahnen gesprochen.
Heinz Felsner: Wie bist Du zu Stadler Österreich gekommen?
Christian Diewald: Gleich nach meinem Maschinenbau-Studium an der TU Wien habe ich 2006 bei der österreichischen Niederlassung von Bombardier, damals ein kanadischer Konzern, begonnen und bin 15 spannende und lehrreiche Jahre geblieben. 2021 ist Bombardier von Alstom übernommen worden.
2022 habe ich dann Peter Spuhler von Stadler Rail getroffen. Das erste Gespräch mit ihm war für mich für den Sprung zu Stadler entscheidend und ich konnte nach einigen Monaten bei Stadler Rail Österreich beginnen. Und das ohne Schweizer zu sein, auch nicht Absolvent der ETH in Zürich, und auch ohne als Offizier in der Schweizer Armee gedient zu haben (die übrigens, das habe ich schon bei Begegnungen im Konzern erkannt, eine hervorragende Schule für Führungsaufgaben ist – das lernt man an den TUs und WUs in Österreich nicht).
Wie geht es Dir heute, nach einem Jahr als CEO von Stadler Österreich?
Ich bin voll mit der Zukunft des Unternehmens beschäftigt! Ich sehe einen gewaltigen Markt in Europa und im Speziellen auch in Österreich. Ich schätze die hervorragende Unterstützung der Stadler Teams in der Schweiz und in Österreich bei der Erschließung dieser Märkte. Mein Beruf war immer spannend für mich, jetzt ist er wieder mehr zum Hobby geworden!
Man liest permanent über Erfolge von Stadler Rail in Europa und auch außerhalb. Verspürt auch Stadler Österreich diesen beachtlichen Rückenwind und was ist die Basis dafür?
Ja, wir bewegen uns mit dem Konzern auf einer Erfolgswelle, deren wichtigste Basis die Fähigkeit von Stadler als Komplettanbieter von Zügen – mit Ausnahme von Hochgeschwindigkeitszügen – ist.
In der DNA von Stadler liegt die Fähigkeit der Anpassung von Modellen einer sehr breiten Palette an die individuellen Bedürfnisse der Bahnbetreiber, damit diese ihren Kunden ein Spitzenangebot an Komfort, Qualität und Innovation zu optimalen Kosten bieten können.
Kannst Du das anhand von Beispielen genauer erklären?
Der kürzlich erhaltene Auftrag der Norwegischen Staatsbahnen hat Forderungen vor allem für den Innenausbau enthalten, die kein anderer Anbieter erfüllen konnte. Grösster Komfort auf langen Strecken durch flexible Sitze und Schlafabteile für Tag und Nacht, Betrieb mit Strom vom Netz oder von Batterien uvm.
Eine besondere Herausforderung war auch der Auftrag eines deutsch-österreichischen Projektkonsortiums von sechs Verkehrsbetrieben – davon vier aus Deutschland und zwei aus Österreich, der Schiene Oberösterreich und dem Land Salzburg. Jeder dieser Verkehrsbetriebe hatte spezielle Anforderungen, die Stadler durch sechs individuelle Ableitungen aus einer Grundplattform erfüllen konnte, und dabei durch den Skaleneffekt des Gesamtauftrags das beste Angebot legen konnte.
Die Schnittstelle zum Kunden muss flexibel sein! Für die grossen Marktbegleiter ist diese Flexibilität zumeist schwierig; sie sind auf grosse Stückzahlen orientiert. Das ist die Chance für Stadler! In der DNA von Stadler liegt eben auch „die Liebe zu den kleinen Stückzahlen“!
Ein Beispiel dafür ist der Massanzug für die Mariazellerbahn, die „Himmelstreppe – die schönste Verbindung von Technik und Natur“. Auch die Schneebergbahn ist so ein Beispiel für die Fähigkeit, kleine und kleinste Stückzahlen zu einem wettbewerbsfähigen Preis anzubieten: Es wurde eine Lokomotive verkauft!
Ich bekomme immer wieder Anfragen von Unternehmen aus Österreich, die ich bisher nicht gekannt habe, wie beispielsweise „einen Panoramawagen“. Das macht meinen Job noch ein Stück weit vielfältiger. In Kürze: Ich fühle mich bestens, ich bin aktiver Mitgestalter der zukünftigen Bahninfrastruktur eines schönen Landes!
Wie siehst Du die Unterschiede zwischen den Anforderungen von Staatsbahnen und Privatbahnen?
Die Beschaffungsprozesse sind grundlegend verschieden: Die Staatsbahnen in der EU müssen sich an EU-weite, ins Detail regulierte Prozesse halten. Privatbahnen sind da oft viel freier und daher auch schneller in ihren Entscheidungen. Staatsbahnen müssen Flottenhomogänität herstellen, wodurch man sich viel mehr auf die genaue Spezifikation fokussieren muss. Da Privatbahnen diese Anforderung selten haben, schreiben diese sehr funktional aus und überlassen dem Hersteller die Detailplanung.
Für beide sollte der Vergleich der Beschaffungskosten und der Betriebskosten über einen langen Lebenszyklus (beispielsweise 30 Jahre) für ihre Entscheidung bestimmend sein! Der aktuelle Status ist leider nicht so. Noch immer wird die Auftragsvergabe in erster Linie vom Preis bestimmt! Im staatlichen Bereich dafür zu sorgen, dass sich das ändert, sehe ich auch ein Stück weit in der Mitverantwortung der Politik.
Welche Rolle für die Erfolge von Stadler spielt „SWISS MADE“?
Für Österreich ist die Schweiz von grosser Bedeutung – das war früher schon der DACH-Markt, mit Einschluss von Deutschland. Die Gemeinsamkeiten der Anforderungen an die Züge sind in der Schweiz und Österreich gross. SWISS Quality und damit Stadler Rail hat einen hohen, anerkannten Stellenwert.
Wie schafft es Stadler in grösstem Umfang in der Schweiz zu produzieren und trotzdem im Wettbewerb auf der Preisebene bestehen zu können?
Die Mitarbeiter an den Standorten in der Schweiz haben ein etwas höheres Lohnniveau, aber im Vergleich dazu überproportionale Motivation. Das schlägt sich in Produktivität und Qualität nieder. Sie haben eine starke Bindung an das Unternehmen, das durch Peter Spuhler familiengeführt ist und auch trotz seiner Grösse starke Züge eines Familiengefüges aufweist.
Kontinuität in den Führungsebenen, hohe Flächenproduktivität an den Standorten und die bereits erwähnte kundenspezifische Anpassungsfähigkeit eines breiten Produkteportfolios sind weitere Erfolgsfaktoren.
Welche Erwartungen hast Du an die HKSÖL, wie waren deine ersten Erfahrungen?
Im September 2021 war der Verwaltungsrat Präsident von Stadler Rail, Peter Spuhler, in Wien im Panel einer Veranstaltung vertreten. Anschliessend ist Stadler Österreich der HKSÖL beigetreten und ich wurde vor allem durch den Generalsekretär Urs Weber bei der Herstellung meines Netzwerkes ausserhalb der Bahnindustrie unterstützt.
Ich schätze diese Plattform sehr, die mich herzlich aufgenommen hat. Sie ermöglicht mir einen Ausblick „über den Tellerrand“.
Wo siehst Du Stadler Rail in Österreich in 2030?
Mein Fokus gilt momentan dem erfolgreichen Auf- und Ausbau der Österreich-Niederlassung. Aber ja, du hast recht, es wäre nicht Stadler, hätten wir nicht schon viele Ideen und konkrete Visionen für die Zukunft. Aber ich fokussiere mich auf die spannenden Projekte, die innovativen und zukunftsweisenden Stadler Produkte und die Zusammenarbeit mit unseren Kund:innen und Mitarbeiter:innen.
Ich bin angekommen, ich bin herzlich in die Stadler-Familie aufgenommen worden, dieses Gefühl möchte ich auch meinen Mitarbeiter:innen in Österreich vermitteln. Wir werden möglicherweise noch unterschätzt, aber so viel darf ich zu meinen Plänen Stadler im Jahr 2030 schon verraten: man sollte uns nicht unterschätzen!
Vielen Dank für das Gespräch!
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