Auf der Überholspur
Experte Alessandro Seralvo im Talk

24.02.2023
Alessandro Seralvo

Karte, Smartphone oder Smartwatch? Digitales Bezahlen ist beliebt und definitiv in unserem Alltag angekommen. Die Gründe für die breite Akzeptanz von Mobile-Payment-Anwendungen erklärt der Experte Alessandro Seralvo im Talk.

Noch vor wenigen Jahren war mobiles Bezahlen eher etwas für Nerds oder experimentierfreudige Nutzerinnen und Nutzer. Inzwischen hat sich die sichere, praktische und schnelle Zahlungslösung durchgesetzt, und die Popularitätskurve zeigt nur in eine Richtung: steil nach oben. 

Herr Seralvo, wie viel Bargeld haben Sie derzeit im Portemonnaie?

Keines. Ich bezahle ausschließlich mit meinem Smartphone oder meiner Smartwatch, wobei mir dies kürzlich fast zum Verhängnis geworden ist. Als ich beim Ausgang eines Parkhauses mein Ticket bezahlen wollte, musste ich feststellen, dass der Automat noch nicht mit der Kontaktlosfunktion ausgestattet war und daher nur physische Karten akzeptierte. Da ich ohne Portemonnaie unterwegs war, hatte ich keine Zahlungskarte dabei. Zufällig fand ich im Auto noch ein wenig Kleingeld, das glücklicherweise gerade reichte, um das Parkticket zu bezahlen.

Sind Sie die Ausnahme oder ein Trendsetter?

Weder noch. Ich sehe es mehr als eine Folge des gesellschaftlichen Wandels. Unser Verhalten hat sich in den vergangenen zehn Jahren in vielen Bereichen verändert, weil sich neue Kontexte ergeben oder bestehende Modelle uns zu Anpassungen motiviert haben. Wir sind mobiler geworden, planen kurzfristiger und nutzen vermehrt die zahlreichen Vorteile der technologischen Fortschritte.

Dieser gesellschaftliche Wandel schließt auch das digitale Bezahlen ein?

Ein Blick zurück zeigt uns deutlich ein grundlegendes Umdenken auf. Wer heute das Haus verlässt, kontrolliert als Erstes, ob das Smartphone dabei ist. Das Mobiltelefon ist zu einem unverzichtbaren Begleiter avanciert. Und dies über alle Generationen hinweg. Je nach Alter ist die Nutzung vielleicht unterschiedlich; das ändert jedoch nichts am tatsächlichen Stellenwert des Smartphones.

Dabei ist das eigentliche Telefonieren zum Nebenschauplatz mutiert. Die neuen Generationen der Smartphones sind multifunktional und vereinen viele Aktivitäten gleichzeitig: Unterhaltung, Musik, Wecker, E-Mails, Internet, Bücher usw. Dazu gesellt sich auch das digitale Bezahlen von Produkten und Dienstleistungen. In-App-Zahlungen wie beispielsweise das Kaufen von Zugtickets, die Benützung von QR-Codes oder das Überweisen von Geld an Freunde oder Bekannte – all diese Funktionen werden ganz selbstverständlich mit dem Smartphone oder der Smartwatch erledigt.

Das heißt, dass mobiles Bezahlen salonfähig geworden ist und die physischen Zahlungskarten eigentlich gar nicht mehr gebraucht werden?

Die mobilen Zahlungslösungen werden in Zukunft sicherlich noch stärker an ­Bedeutung gewinnen. Die Pandemie hat diese Entwicklung zweifelsohne beschleunigt. Während des Lockdowns haben wir uns an die verschiedenen bar geldlosen Zahlungsmethoden gewöhnt, und wir werden diese aus praktischen und hygienischen Gründen weiterhin nutzen. Dies gilt vor allem für das Bezahlen von Kleinbeträgen und den damit verbundenen Gebrauch der Münzen. Vor drei Jahren noch eher die Ausnahme, bezahlen wir heute mit der Karte problemlos ein Brötchen beim Bäcker oder eine Zeitung am Kiosk und haben dabei in Echtzeit die Kontrolle über die getätigten Transaktionen.

Allseits bekannt für seine digitale Zahlungskultur, ist Schweden schon einen Schritt weiter: In der Kirche kann sogar die Kollekte bargeldlos bezahlt werden! Trotz der zahlreichen Vorteile von Mobile Payment werden die physischen Zahlungskarten in den nächsten Jahren dennoch unsere Portemonnaies schmücken, da weltweit noch längst nicht alle Kassenterminals über eine Kontaktlosfunktion verfügen.

Und dennoch gibt es Personen, die bewusst auf den Gebrauch von Zahlungskarten verzichten oder diese nur selten benützen, weil sie Bedenken vor einer möglichen staatlichen Überwachung haben oder den Verlust der Privatsphäre befürchten.

Meines Erachtens stellt sich vielmehr die Frage der Definition der Privatsphäre und des täglichen Umgangs mit den digitalen Angeboten. Wer beispielsweise in den sozialen Medien unterwegs ist und Fotos von sich und dem letzten Familienfest postet, ab und zu bei Wettbewerben teilnimmt, im Internet einen günstigen Flug sucht oder im Supermarkt Bonuspunkte sammelt, gibt freiwillig Auskunft über seine Person und verzichtet damit automatisch auf einen Teil seiner Privatsphäre. Punkto Überwachungen sind inzwischen an fast allen Straßenkreuzungen, in Kaufhäusern oder an den Bahnhöfen Kameras eingerichtet. Deren Präsenz vermittelt den meisten Menschen eher ein Gefühl der Sicherheit, und sie erachten es weniger als Kontrolle. 

Auf welches neue Projekt freuen Sie sich besonders?

Als erste Bankengruppe in Europa führt die Cornèr Bank in diesem Jahr „Visa Commercial Pay“ ein mit dem Ziel, Unternehmen bei der schnellen Digitalisierung von B2B-Zahlungen zu unterstützen und die Zahlungsprozesse flexibler und effizienter zu gestalten. Dank „Visa Commercial Pay“ müssen Mitarbeitende keine persönlichen Karten mehr für ­Geschäftsausgaben verwenden; Einkäufer und Lieferanten erhalten praktische Zahlungsmöglichkeiten, und die Finanzabteilungen haben stets den Überblick über die Ausgaben. Dies verbessert den Zahlungsverkehr und mindert gleich­zeitig die Risiken. Auf der dafür eigens konzipierten Plattform können virtuelle Karten für einen bestimmten Zweck aktiviert werden und ermöglichen damit eine genaue Nutzungsbestimmung und -überprüfung sowie eine präzise Kostenabrechnung. Ein tolles Tool, das Unternehmen einen echten Mehrwert bietet.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Alessandro SeralvoAlessandro Seralvo

ist Mitglied der Generaldirektion der ­Cornèr Bank und als Head Cornèr Group Cards Division verantwortlich für die strategische Ausrichtung von Cornèrcard, Herausgeber von Zahlungskarten von Visa, Mastercard und Diners Club in der Schweiz.
Seit 1999 für die Cornèr Bank tätig, ist der Tessiner mit österreichischen Wurzeln ein profunder Kenner des Markts der Zahlungs­karten und hat für Cornèrcard in den letzten zwei Jahrzehnten die Einführung sämtlicher technologischen Innovationen begleitet. Alessandro Seralvo studierte Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen.

cornercard.ch

 

 

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