Wir werden flexibler, digitaler, internationaler und ökologischer arbeiten
Top Speakers Lounge "Neue Arbeitswelten"

Foto von der Podiumsdiskussion, v.l.n.r.: Johannes Kopf, Agatha Kalandra, Claudia Schanza, Andrea Stürmer, Patrik Haslebacher. (Foto © ROBIN CONSULT_Lepsi)
Johannes Kopf: „Über 30 % der Arbeitnehmer gaben in einer Studie an, dass ihre Arbeit sinnlos ist. So viele sinnlose Jobs gibt es nicht.“ Arbeitgeber sollten bei Stellenausschreibungen und Employer Branding auch darauf eingehen, welchen Sinn die Tätigkeit erfüllt.
Montag, 14.11.2022 - 16:30 - 21:00
PwC Österreich, DC Tower, Wien

Mehr Gehalt, mehr Freizeit, mehr Work-Life-Balance trotz Krisenzeiten – am Arbeitsmarkt findet gerade ein Kräftemessen zwischen den Unternehmern und ihren Mitarbeitern statt. Wie Unternehmen auf einem Arbeitnehmermarkt um Mitarbeiter buhlen diskutierten bei der Top Speakers Lounge am 14. November PwC Österreich-Partnerin und Vorstandsmitglied Agatha Kalandra, Zürich-Vorstandsvorsitzende Andrea Stürmer und DPD Schweiz-Personalchef Patrik Haslebacher. Die Keynote-Speech hielt AMS-Vorstand Johannes Kopf

Einer von fünf Beschäftigten hält es für wahrscheinlich, in den nächsten zwölf Monaten den Arbeitsplatz zu wechseln, lautet das Kernergebnis der „Global Workforce Hopes and Fears“ Studie von PwC unter 52.000 Arbeitnehmern in 44 Ländern. Das bedeutet: Für Unternehmer wird es immer mehr zum Kunststück, Arbeitskräfte zu finden und zu halten. Steigende Produktionskosten, Lieferkettenproblematiken und Zinswende verschärfen die Situation zusätzlich. Die Studie zeigt zudem auf, dass 35 % planen, ihren Arbeitgeber in den nächsten zwölf Monaten um eine Gehaltserhöhung zu bitten. Sind solche Forderungen gerade in Krisenzeiten noch angemessen? Darüber wurde bei der Top Speakers Lounge der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein unter Moderatorin Claudia Schanza bei PwC Österreich im DC Tower diskutiert.

Keine Kurzarbeit wegen hoher Energiekosten

Johannes Kopf, AMS-Vorstand: „Nach Corona gab es eine Erholung, die niemand erwartet hat. Das Wirtschaftswachstum war über Monate zweistellig. Heute haben wir 37.000 weniger Arbeitslose als vor Corona“. Entsprechend hoch sieht Kopf die Auswahlmöglichkeit für qualifizierte Bewerber. „Früher reichten ein 3er-BMW und ein Laptop, um einen Arbeitnehmer glücklich zu machen. Das zählt heute wenig. Als Arbeitgeber müssen Sie heute um Arbeitskräfte tanzen und Ihre Arbeitgeberattraktivität steigern. Das beginnt beim Inserat. Ein ,Wir sind ein gutes Team` reicht nicht. Es gibt Tourismusbetriebe, die bieten Kinderbetreuung für Gäste, aber nicht für die Mitarbeiter an. Oft wird angenommen, Schichtbetrieb ließe sich nicht mit Teilzeit vereinbaren, aber viele Unternehmen wie z.B. die Voestalpine schaffen das sehr erfolgreich.“

Dass es aufgrund der aktuellen Krise wieder zu einem Comeback der Kurzarbeit kommen könnte, sieht Kopf nicht. „Hohe Energiepreise sind kein Grund für Kurzarbeit, weil Kurzarbeit für die Überbrückung kurzfristiger Herausforderungen gedacht ist. Die Energie wird aber teuer bleiben, selbst wenn sich die Wirtschaftslage wieder beruhigt, wenn auch auf einem etwas geringeren Niveau.“

200 Teilzeitmodelle bei PwC

Der Wunsch vieler Beschäftigten nach mehr Flexibilität ist auch für Agatha Kalandra, Partnerin und Markets Leaderin von PwC Österreich, von entscheidender Bedeutung. „Bei PwC haben wir 200 Teilzeitmodelle, um alle Bedürfnisse abdecken zu können. Das Thema Nachhaltigkeit fällt in vielen Bewerbungsgesprächen. Hier geht es nicht nur um Ökologie, sondern auch um mehr Diversität. Wenn wir alle Frauen besser unterstützten und Flexibilität lebten, hätten wir viel weniger Probleme am Arbeitsmarkt. Dieses Mindset am Markt muss gebrochen und vorgelebt werden. Bei mir im Führungsteam sind mittlerweile drei Männer in Teilzeit.“

Auf vertauschte Rollen bei der Suche nach neuen Mitarbeitern setzt Andrea Stürmer, Vorstandsvorsitzende der Zürich Versicherungs AG Österreich. „HR ist eine essenzielle Funktion, die sich gewandelt hat. Heute macht uns HR bewusst, wie wir im Unternehmen Vielfalt schaffen. Wir bewerben uns bei unseren Bewerbern. So hatten wir z.B. eine Veranstaltung in einem Büro abgehalten. Nach der Führung waren sie plötzlich nicht mehr so interessiert. Mittlerweile haben wir ein modernes Bürogebäude. Plötzlich hatten wir keine Probleme mehr bei der Suche nach neuen IT-Leuten“, so Stürmer.

Flexibilität ist in allen Aspekten gefordert

Ein weiter Punkt für Stürmer ist die „Durchlässigkeit des Unternehmens“, wie sie es nennt. „Wir müssen flexible Karrieremodelle anbieten. Weg vom Silodenken, wo man über Jahre von Stufe zu Stufe aufsteigt. Heute wollen Mitarbeiter das ganze Unternehmen verstehen. Unternehmen brauchen durchlässige Strukturen.“

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Patrik Haslebacher, Head HR DPD Schweiz AG. „Bei uns kann man eine Reise durch das ganze Unternehmen antreten. Wer sich via WhatsApp bewirbt, kann das zwanglos machen. Ja man kann sich sogar mit einem Video bewerben. Möglichst niederschwellig und zwanglos. Dazu kommt, wir lassen die Leute so viel im Homeoffice arbeiten, wie sie möchten. Außerdem ist eine 4 Tagewoche für Leute angedacht, die ausliefern und so ein verlängertes Wochenende erhalten könnten.“

Nur 40 % der Österreicher können ihre Arbeit von zu Hause aus erledigen

Bei aller Begeisterung für das Arbeiten von zu Hause wird oft übersehen, dass 60 Prozent der Menschen noch nie in diesen Genuss gekommen sind. Und wenn man nur 1.200 Euro verdient, dann schwindet beim Blick auf die Gasrechnung ganz schnell der Wunsch nach Teilzeit. „Deswegen finden sich immer weniger für die Wursttheke. Aber auch hier wird es eine Gegenbewegung geben", ist Kopf überzeugt. „Das ist ein Markt, der reguliert sich. Wenn die Wurstverkäuferin lieber ins Büro geht, dann müssen sich auch die Konsumenten umstellen und die Wurst vielleicht per DPD liefern lassen. Oder die Wurst wird teurer und die Verkäuferin besser bezahlt.“

 

Wir danken den Sponsoren der Veranstaltung:

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Fotogalerie

Fotos © ROBIN CONSULT_Lepsi

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