Top Speakers Lounge „Applied Artificial Intelligence und Healthcare"

v.l.n.r. Markus Hengstschläger (MedUni Wien), Siegfried Meryn (Future Health Lab Vienna), Gerald Dipplinger (PwC Österreich), Nikolaus Kawka (Zühlke Österreich), Alexander Riklin (HKSÖL), Philipp Morf (Zühlke Group)
Mittwoch, 10.11.2021 - 16:30 - 20:00
Museumsquartier, Wien

Wo wird Künstliche Intelligenz in der Medizin heute schon angewendet und was ist (noch) Science Fiction? Über die Zukunft der Medizin diskutierten bei der Top Speakers Lounge der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein der CEO von Zühlke Österreich, Dr. Nikolaus Kawka, Gerald Dipplinger (Digital Leader PwC Österreich) und Prof. Siegfried Meryn (Internist, Initiator Future Health Lab Vienna). Die Keynote hielt Dr. Philipp Morf, Machine-Learning-Spezialist und Head of Solution Center AI der Zühlke Group. Die Begrüßung erfolgte durch Dr. Alexander Riklin, den Präsidenten der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein. Moderator der Veranstaltung im MuseumsQuartier war Univ. Prof. Mag. Dr. Markus Hengstschläger.

Die einen sehen Artifical Intelligence (AI) als Allheilmittel der Zukunft. Für andere ist AI der direkte Weg in die „selbstverschuldete Unmündigkeit“, denn menschliches Fachwissen und medizinische Erfahrung in Kombination mit Kreativität können durch Maschinen nie ersetzt werden, so ihr Credo. Unbestritten ist: AI hat das Potential, menschliche Fähigkeiten zu verbessern. In seiner Keynote-Speech bei der Top Speakers Lounge der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein im MuseumsQuartier brach Dr. Philipp Morf, Machine-Learning-Spezialist und Head of Solution Center AI der Zühlke Group, eine Lanze für Künstliche Intelligenz in der Medizin.

Bis zu 6 von 10 Behandlungen stellen sich im Nachhinein als unnötig heraus

Morf: „Die meisten, die von AI sprechen, meinen Deep Learning. Durch den Einsatz medizinischer KI-Lösungen können wir Ärztinnen und Ärzte von repetitiven Aufgaben entlasten, Fehldiagnosen verhindern und weltweit den Zugang zu besseren Behandlungen erleichtern. Ein heutiger Arzt hat pro Patient 7 Minuten Zeit. 30 Prozent seiner Zeit verbringt er aber mit administrativen Tätigkeiten.“ Hier könnte die Künstliche Intelligenz Abhilfe schaffen und die Effektivität steigern. Bis zu 6 von 10 Behandlungen stellen sich im Nachhinein als unnötig heraus. „Hier kann der Algorithmus die Fehlerquote senken. Auch bei der Versorgung. Weltweit gibt es im Durchschnitt zwei Ärzte pro 1000 Einwohner, in Afrika nur 0,3. AI kann hier Applikationen zur Verfügung stellen, wo die Patienten bei sich zu Hause ohne ärztliche Unterstützung Krankheiten erkennen können“, erklärt Morf. Auch bei der Diagnose kann AI höchst erfolgreich den Medizinern unter die Arme greifen. „Wir haben einen Algorithmus zur Differenzialdiagose entwickelt. Der Arzt befragt den Patienten, gibt die Antworten und Messwerte ein. Auf Knopfdruck erhält man die Antwort, um welche Krankheit es sich handelt, und das mit einer Treffsicherheit von 97 Prozent. Das ist besser als bei einem Menschen. Aber je mehr AI Ärzte einsetzen, umso mehr müssen sie sich auf den Menschen konzentrieren“, so Morf weiter.

Wie dieser Fokus auf den Menschen konkret aussieht, erklärte Gerald Dipplinger, Digital Leader PwC Österreich, anhand eines von ihm und seinem Team entwickelten Coronasimulators: „Wir haben eine KI entwickelt, die die Wahrscheinlichkeit in Räumen berechnet, sich mit COVID anzustecken. Der Coronasimulator ist ein digitaler Zwilling. Man simuliert den Arbeitsplatz und zeigt die Ausbreitung der Aerosole im Hinblick auf die Auslastung. Damit erhöhten wir die Akzeptanz der Hygienemaßnahmen der Mitarbeiter, da man gut zeigen konnte, was passiert, wenn man sich falsch verhält.“

DSGVO bremst neue Innovationen

Einig waren sich alle Experten beim Thema DSGVO & Co. So sehr sie die Vorreiterrolle Europas auf diesem Gebiet begrüßen, so sehr sehen sie auch die Nachteile. Prof. Dr. Siegfried Meryn: „Wir müssen aufpassen, dass wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Datenschutz ist wichtig, aber wenn wir den Ruf haben, die strengsten Bestimmungen der Welt zu haben, werden wir bald als Wirtschaftsstandort unattraktiv. Es ist auch eine Frage der Haltung der Politik. Als Österreich die EU-Ratspräsidentschaft hatte, war Digitales leider kein Thema.“

Die DSGVO als Herausforderung, wie auch als Chance, sieht auch der CEO von Zühlke Österreich Dr. Nikolaus Kawka: „Datenschutz spielt in Europa eine wesentliche Rolle und stellt die Unternehmen vor einige Herausforderungen. Innovation und Datenschutz stehen jedoch nicht unbedingt im Widerspruch. Entwicklungsprojekte können die Möglichkeit bieten, Wissen zum Thema Sicherheit aufzubauen. Algorithmen interessieren sich nicht für die genauen Daten eines Herrn Baumgartner oder einer Frau Gruber. Es sind die größer gefassten Zusammenhänge und Muster die Innovationspotentiale aufzeigen. Man kann also gut mit anonymisierten oder synthetischen Daten arbeiten. Bei rund 80% unserer Projekte beginnen wir damit, Daten sicher und effektiv zu sammeln, um sie für Analysen nutzbar zu machen. Wir unterstützen Unternehmen auf ihrem Weg zum data-driven business und sorgen dafür, dass diese durch die strategische Nutzung von Daten und künstliche Intelligenz systematischen und kontinuierlichen Mehrwert generieren können.“

Wie wichtig hier ein etwas entspannterer Zugang wäre, zeigt Prof. Dr. Siegfried Meryn an einem konkreten Beispiel. „Wenn man die Daten der österreichischen Gesundheitskasse mappt, kann man sagen, in welchem Gebiet Karzinome häufiger auftreten. Da könnte man dann regulierend eingreifen, weil man genau weiß, in welchem Sprengel und wie man gegen eine Krankheit Maßnahmen setzen kann.“

(c) Andreas Lepsi und Leadersnet / C. Mikes

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