Jeder verantwortungsbewusste Kommunikationsmanager, jede Kommunikationsmanagerin ist auf Krisen vorbereitet. Es ist nämlich keine Frage, ob Unternehmen und Organisationen einmal in eine Krise geraten können, sondern nur, wann und in welchem Ausmaß.
Dennoch hat die nunmehrige Corona-Krise eine Dimension angenommen, die niemand ahnen konnte. Keine Frage, dass sich Unternehmen und Organisationen mit Kapitalreserven in dieser Situation wesentlich leichter tun als solche, deren Kredit bereits aufgebraucht ist. Was das mit Kommunikationsmanagern zu tun hat? Ich rede nicht von Finanzkapital, sondern von Reputationskapital.
In schwierigen Zeiten sind jedes Unternehmen und jede Organisation mehr denn je auf Solidarität und guten Willen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern, also auf "supportive behavior" angewiesen. "Supportive behavior" spiegelt den Wunsch wider, es möge dem Unternehmen, der Organisation, gut gehen. Unternehmen mit hohem "supportive behavior" tun sich gerade in der Krise leichter, kulante Lösungen mit Vermietern und Lieferanten zu finden, Kunden zu motivieren, gerade jetzt einzukaufen und die Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten, sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei der Stange zu halten.
Glaubwürdigkeit und Vertrauen
Die Österreichische Gesellschaft für Reputation und Kommunikation hat in den vergangenen zehn Jahren mehr als 60 Reputationsanalysen bei Unternehmen und Organisationen in Österreich durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass "supportive behavior" zu mehr als 40% von einer hohen Reputation abhängt. Und hohe Reputation haben vor allem jene Unternehmen und Organisationen, die schon immer glaubwürdig und vertrauensvoll aufgetreten sind. Das klingt zwar einfach, ist es aber nicht. Glaubwürdigkeit und Vertrauen bauen Unternehmen auf, die zum Beispiel auch dann reden, wenn es einmal nicht so gut läuft, die nicht nur Erfolge verkaufen, die sagen, was ist, und nichts beschönigen oder unter den Teppich kehren. Alles Eigenschaften, die verantwortungsvolle CROs (Chief Reputation Officers) als das Einmaleines ihrer Arbeit sehen und auch umsetzen, wenn man sie lässt.
Weitere wichtige Faktoren sind laut der Reputationsmessung der Österreichischen Gesellschaft für Kommunikation und Reputation auch ein verantwortungsvoller Umgang mit gesellschaftlichen Anliegen und Umweltthemen, eine anständige und faire Beziehung zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, gute und innovative Produkte, profilierte Führungspersönlichkeiten und nicht zuletzt wirtschaftlicher Erfolg. Welche dieser Faktoren besonders Gewicht haben, ist bei jedem Unternehmen unterschiedlich. Es lässt sich aber genau analysieren. Aus dem Ergebnis lässt sich dann ein konkreter Leitfaden für die Unternehmenskommunikation erstellen, um Reputationskapital aufzubauen. Wissen und Fakten über Reputationskapital stärken dann die verantwortlichen Kommunikationsmanager für ihre tägliche Arbeit den Rücken.
Langfristiger Prozess
So wie man solides Finanzkapital nicht mit einem einzigen Deal aufbauen kann, ist es auch mit dem Reputationskapital. Hohe Reputation erlangt man nicht von heute auf morgen. Sie ist das Ergebnis einer kontinuierlichen langfristigen Arbeit. Im geschäftlichen Alltag wird oft die Frage gestellt, wofür dieser jahrelange Aufwand für den Aufbau von Reputationskapital notwendig sein soll, wenn damit kein kurzfristiger Verkaufserfolg erzielt werden kann. Jetzt in der Krise macht sich eine solche Arbeit jedoch bezahlt und ist im einen oder anderen Fall sogar überlebenswichtig. Jetzt wäre also ein guter Anlass, sich mit Reputationskapital auseinanderzusetzen. Weil es keine Frage ist, ob es wieder einmal eine Krise gibt, sonder nur, wann und in welchem Ausmaß.
Wer ist zuständig?
Aber wer ist jetzt im Unternehmen für das Management der Reputation verantwortlich? Der Communication Reputation Officer könnte eine neue Führungsposition in jedem Unternehmen oder einer Organisation sein, die direkt dem CEO oder dem VR unterstellt ist. CRO Swiss ist Partner der Österreichischen Gesellschaft für Kommunikation und Reputation. Man ist sich einig, dass das Zusammenführen der Verantwortlichkeiten zum Management der Reputation in einer zuständigen Person ein Matchentscheidender Faktor ist und es nur wenige triftige Gründe gibt, warum ein Unternehmen auf diese Funktion verzichten könnte:
Der CEO ist die Marke: Einen Chief Reputation Officer braucht es nicht, wenn der CEO mit der Unternehmung oder der Organisation gleichgesetzt wird und die Reputation praktisch selbst steuert. Das ist die These, in der Praxis sieht es oft anders aus. Es gibt und gab in der Geschichte nur wenige begnadete CEOs, die es schafften, die Reputation ihres Unternehmens allein durch ihre charismatische Persönlichkeit zu steuern. In der Regel unterliegen sie dem Curse of Knowledge und einer Realitätsverzerrung aufgrund selektiver Wahrnehmung und vorgefilterter Informationen. Die Unternehmensreputation von der des CEO abhängig zu machen, ist zwar effizient, aber auch riskant.
Das Unternehmen ist zu klein: Zu kleine Unternehmen können sich keinen „unproduktiven“ Chief Reputation Officer leisten, könnte man meinen. Aber Kleinstunternehmen können ihre Reputation durch unüberlegte Äusserungen oder Handlungen verspielen und damit ihre Existenzgrundlage verlieren. Eine Option wäre, wenigstens ein Teilzeitpensum für einen Chief Reputation Officer vorzusehen. Die Person könnte wertvolle Dienste in der Unterstützung von Verkauf und Marketing leisten und gleichzeitig dafür sorgen, dass kongruent die gewünschte Reputation aufgebaut und gepflegt wird.
Das Unternehmen hat eine ganze Abteilung, die sich mit Reputation beschäftigt. In diesem Fall gibt es nur einen einzigen Grund, keinen Chief Reputation Officer zu haben: Er trägt einen anderen Titel. Faktisch ist der Leiter dieser Abteilung jedoch ein Chief Reputation Officer. Ein solches Unternehmen handelt vorbildlich.
Das Unternehmen operiert unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es gibt grosse Unternehmen, die man in der Öffentlichkeit praktisch nicht kennt. Dazu gehören z. B. die grössten Schweizer Unternehmen: Vitol, Glencore, Trafigura, Mercuria, Cargill, Gunvor. Dabei setzten diese Rohstoffriesen 2018 fast 1 Billion Franken um. Ganz sicher aber gilt für solche Unternehmen, dass andere Stakeholdergruppen als die breite Öffentlichkeit gut über sie denken sollten: Financiers, die Regierung, MitarbeiterInnen, FachjournalistInnen zum Beispiel. Es braucht also auch hier ein gutes Reputationsmanagement, wenn auch nicht gegenüber der Öffentlichkeit.
Mehr Infos zur Reputationsanalyse und Reputationsmanagement:
Dr. Stefan Schiel ist Techniker und Betriebswirt. Er ist Partner von marketmind Schweiz, in der Geschäftsführung von marketmind Österreich, Geschäftsführer der österreichischen Gesellschaft für Kommunikation und Reputation und Universitätslektor für strategische Markenführung an der WU Wien und mehreren Fachhochschulen.
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