In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf die in der Schweiz geltenden arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen, wobei der Fokus auf die Bereiche Gleichbehandlung (Gleichstellung) und sowie auf Personen mit einer Behinderung und den Kündigungsschutz älterer Personen gerichtet wird.
Gleichstellung
Das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GLG) bezweckt die Gleichstellung von Frau und Mann im Erwerbsleben. Das GlG gilt für sämtliche Arbeitsverhältnisse nach dem Obligationenrecht sowie nach öffentlichem Recht (Art. 2 GlG).
Gemäß Artikel 3 GlG dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. Das Verbot gilt insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlohnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung.
Bei einer Diskriminierung im Rahmen einer Anstellung kann die Person vom Arbeitgeber eine schriftliche Begründung verlangen (Art. 8 GlG). Innerhalb von drei Monaten nach der Absage vom Arbeitgeber kann Klage erhoben und eine Entschädigung eingefordert werden.
Das GlG sieht in Artikel 6 eine besondere Regelung zur Beweislasterleichterung vor: Eine Diskriminierung wird vermutet, wenn diese von der betroffenen Person glaubhaft gemacht wird. Es liegt dann an der Gegenpartei, das Gegenteil zu beweisen.
Schutz von ArbeitnehmerInnen mit Behinderungen
Das in Artikel 8 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV) vorgesehene Diskriminierungsverbot schützt bestimmte als besonders verletzlich oder schutzbedürftig betrachtete Gruppen vor Diskriminierungen. Artikel 8 Absatz 4 BV beauftragt den Gesetzgeber auf Bundes- und Kantonsebene, Maßnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen vorzusehen.
Entsprechend hat das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG)15 die Aufgabe, Personen mit Behinderungen vor Diskriminierungen zu schützen. Dies gewährleistet es in mehreren wesentlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, jedoch mit Ausnahme der Arbeitsverhältnisse außerhalb der Bundesverwaltung.
Da für die Beschäftigung in der Privatwirtschaft keine besonderen Vorschriften bestehen, kommen hier die einschlägigen Regeln des Obligationenrechts zur Anwendung. Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt äußert sich je nach Situation auf unterschiedliche Weise. Sie muss die Förderung der Chancengleichheit bei der Einstellung, den Schutz vor Diskriminierungen am Arbeitsplatz und den Schutz vor diskriminierenden Kündigungen zum Ziel haben. Für Frauen mit Behinderungen kann das Gleichstellungsgesetz einen zusätzlichen Schutz zum Obligationenrecht bieten und daher ebenfalls angewendet werden.
Das Diskriminierungsverbot bei öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen
Ein Schutz vor Diskriminierung wegen einer Behinderung im Erwerbsleben, bezogen auf den öffentlichen Sektor, ergibt sich aus Artikel 8 Absatz 2 BV. Zudem gilt für die Arbeitsverhältnisse zwischen dem Bund und seinen Angestellten das BehiG. Der Bund ist somit verpflichtet, Personen mit Behinderungen die gleichen Chancen einzuräumen wie Personen ohne Behinderungen. Bei allen Arbeitsverhältnissen und auf allen Ebenen, namentlich jedoch bei den Anstellungen, setzt der Bund alles daran, um Personen mit Behinderungen die gleichen Chancen anzubieten (Art. 13 BehiG). Gemäß Artikel 12 Absatz 1 der Behindertengleichstellungsverordnung (BehiV) ergreift der Arbeitgeber die notwendigen Maßnahmen, um das berufliche Umfeld entsprechend den Bedürfnissen seiner Angestellten mit Behinderungen zu gestalten, insbesondere durch Anpassung der Arbeitsräume, der Arbeitsplätze, der Arbeitszeiten, der Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung, der Karrierenplanung und des internen Informatiknetzwerkes. Artikel 6 des Arbeitsgesetzes ist für die Bundesverwaltung anwendbar und schreibt dem Arbeitgeber ebenfalls vor, angemessene Anpassungen zu treffen.
Der Persönlichkeitsschutz in der Privatwirtschaft
Wird eine Person mit einer Behinderung in der Privatwirtschaft Opfer einer Diskriminierung, kann sie sich in allen nicht dem BehiG unterstellten Bereichen auf Artikel 28 des Zivilgesetzbuches (ZGB) berufen, der die Persönlichkeit insgesamt schützt. Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch ein Gesetz gerechtfertigt ist. Eine Person, die sich bei einer Einstellung aufgrund ihrer Behinderung als Opfer einer Diskriminierung gemäß Artikel 28 ZGB sieht, muss den Zusammenhang zwischen der Nichteinstellung und ihrer Behinderung belegen. Das Opfer kann lediglich einen Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung erheben.
Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses schützt Artikel 328 OR im Besonderen die Persönlichkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Er geht damit weiter als Artikel 28 ZGB, weil er den Arbeitgeber zusätzlich verpflichtet, konkrete Maßnahmen zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität seiner Angestellten zu treffen. Der Arbeitgeber muss selbst dann handeln, wenn er nicht der Verursacher der Beeinträchtigung ist. Entsprechend liegt es am Arbeitgeber, so rasch wie möglich zu handeln, die Sachlage festzustellen und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Er kann beispielsweise eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter mit sofortiger Wirkung entlassen, um andere geschädigte Angestellte zu schützen. Bei einer Missachtung dieser Pflicht kann ein Opfer in einem Zivilgerichtsverfahren bestenfalls eine Genugtuungsentschädigung erwirken.
Im Privatsektor haben die Arbeitgeber die Pflicht, angemessene Bemühungen zur Eingliederung von Menschen mit Behinderungen zu unternehmen. Diese haben jedoch kein subjektives Recht auf die Anpassung ihres Arbeitsplatzes. Sie können lediglich Anspruch auf die Bezahlung einer Entschädigung, nicht aber auf die Beseitigung der Hindernisse geltend machen.
Kündigungsschutz älterer ArbeitnehmerInnen?
Im schweizerischen Arbeitsrecht herrscht grundsätzlich das Prinzip der Kündigungsfreiheit. Art. 336 Obligationenrecht enthält jedoch eine Auflistung von Gründen, welche eine Kündigung missbräuchlich erscheinen lassen. Die Aufzählung der Missbrauchstatbestände ist nicht abschließend. Eine Kündigung kann auch in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) Verstoßen und deshalb zu einem Entschädigungsanspruch führen. Namentlich bei einer Verletzung der Fürsorgepflichten des Arbeitgebers (Art. 328 OR).
Gemäß Art. 328 Abs. 1 OR hat der Arbeitgeber die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen. Er hat sich jedes durch den Arbeitsvertrag nicht gerechtfertigten Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers zu enthalten. Eine klare Verletzung dieser Pflicht im Zusammenhang mit der Entlassung kann den Missbrauch charakterisieren.
Zwar ist ein besonderer Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer in den geltenden Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts nicht ausdrücklich vorgesehen, doch besteht nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein verstärkter Kündigungsschutz für diese Arbeitnehmerkategorie. Gemäß dieser Judikatur sind Arbeitnehmer im fortgeschrittenen Alter und mit einer langen Dienstzeit als besondere Arbeitnehmerkategorie zu qualifizieren. Gegenüber solchen Arbeitnehmern trifft den Arbeitgeber nach Ansicht des Bundesgerichts eine erhöhte Fürsorgepflicht. Bei älteren Arbeitnehmern ist der Art und Weise der Kündigung deshalb besondere Beachtung zu schenken. Das Bundesgericht hat aus der erhöhten Fürsorgepflicht gestützt auf das Gebot der schonenden Rechtsausübung folgende Handlungspflichten für den Arbeitgeber abgeleitet: Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer rechtzeitig über die beabsichtigte Kündigung zu informieren und anzuhören. Sodann ist der Arbeitgeber verpflichtet, nach Lösungen zu suchen, welche eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses ermöglichen. Allerdings hat das Bundesgericht nicht festgelegt, ab welchem Alter und welcher Dienstzeit von einem langjährigen älteren Arbeitnehmer auszugehen ist. Es gelten aber die folgenden (groben) Faustregeln: Ein Arbeitnehmer gilt ab dem 55. Altersjahr und einer Dienstzeit zwischen 6 und 20 Jahren – wobei die notwendige Dienstzeit mit dem Alter des Arbeitnehmers abnimmt – als langjähriger älterer Arbeitnehmer.
Hinzuweisen ist, dass ungeachtet dessen kein absoluter Kündigungsschutz für langjährige ältere Arbeitnehmer besteht – ein solcher würde das eingangs erwähnte Prinzip der Kündigungsfreiheit grundsätzlich in Frage stellen.
Nächste Woche werfen wir einen Blick auf die in Österreich geltenden Regelungen in Bezug auf die besonderen arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen. Abonnieren Sie den Blog, um keinen Beitrag zu verpassen.
Autor: Lic. iur. Michael Pérez
Michael Pérez ist Rechtsanwalt und Partner bei PRP Rechtsanwälte. Er hat seine juristische Ausbildung in der Schweiz abgeschlossen und war anschließend für einige Jahre in der Schweiz als Rechtsanwalt tätig. Seine Anwaltszulassung in Österreich erhielt er im Jahre 2006 und betreut seither von Wien aus speziell Mandanten mit bilateralen Verbindungen in die Schweiz und nach Österreich nach dem „One-Stop-Shop“-Prinzip. Der Fokus ist hier vor allem auf Rechtsfragen rund um Betriebsansiedlungen sowie grenzüberschreitende Vertriebs- und Handelstätigkeiten angelegt.
*Im Sinne einer besseren Lesbarkeit des Texts wurde entweder die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts. Frauen und Männer mögen sich vom Inhalt dieses Blogs-Beitrags gleichermaßen angesprochen fühlen. Danke für Ihr Verständnis!
FOTOS: Perez, Shutterstock
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