Da die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich sowie der Schweiz, besonders zur Ostschweiz, sehr eng sind, verfolgten unsere Gäste mit großem Interesse bei unserem ersten Live-Event Top Talk in der Postcorona Zeit den Vortrag von Herrn Ralph Lehner. Falls Sie an unserer Veranstaltung nicht teilnehmen konnten, möchten wir Ihnen gerne mit unserem Blogpost eine kurze Zusammenfassung zum Thema "Wirtschaftsstandort St.GallenBodenseeArea" anbieten.
Ralph Lehner ist Projektleiter für Standortförderung beim Amt für Wirtschaft und Arbeit Kanton Appenzell Ausserhoden. Er beschreibt für uns die Unterschiede zwischen Österreich und Schweiz.
Handelskammer: Welche Umstände/Faktoren machen die Ostschweiz für Investoren attraktiv?
Ralph Lehner: Die St.GallenBodenseeArea, d.h. die Ostschweizer Kantone St.Gallen, Thurgau sowie beide Appenzell, profitieren einerseits von gesamtschweizerischen Vorzügen wie Sicherheit, politische Stabilität, liberaler Arbeitsmarkt, tiefe Steuern, vergleichsweise wenig Bürokratie sowie einem hohen Innovationsgrad. Andererseits verfügt die Region im Vergleich mit anderen Schweizer Regionen über klare Kostenvorteile, insbesondere bei Steuern, Immobilien und Personal. Die ideale Positionierung im Technologiedreieck München - Stuttgart - Mailand, die hervorragende Anbindung an den Luft-, Schienen- und Straßenverkehr sowie das große Einzugsgebiet für Fachkräfte über die Landesgrenzen hinaus tragen ebenfalls zur Prosperität der Region bei.
Handelskammer: In welchen Steuerbesonderheiten unterscheiden sich Schweiz und Österreich?
Ralph Lehner: Die Fiskalquote gilt als allgemeinste Kennziffer zur Messung der allgemeinen Steuerbelastung. Gemäß neusten Zahlen der OECD (2019) betrug die Fiskalquote in der Schweiz 2017 28,4%, in Österreich 41,8%. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 34,4%. Generell sind Steuervergleiche für den Einzelnen allerdings mitunter wenig aussagekräftig, da die individuelle Steuerbelastung in der Schweiz nicht nur vom Einkommen, sondern auch vom Wohnort, dem Vermögen, dem Zivilstand, der Zahl der Kinder sowie der Konfession abhängt. Besonders ist in der Schweiz, dass die drei Staatsebenen Bund, Kanton und Gemeinde ihren Aufgaben entsprechend selbst die dafür notwendigen Steuern erheben können. Dadurch sind Transparenz und Kostenbewusstsein hoch - auch bedingt durch die direktdemokratischen Mitwirkungsrechte der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Ausländische Unternehmerinnen und Unternehmer staunen außerdem über die Steuerbehörden, von denen man in der Schweiz als „Kunde“ behandelt wird.
Handelskammer: Wie könnte sich die Ostschweiz, neben der Fokussierung auf traditionelle Industriezweige, zu einem Spitzenreiter bei Innovation sowie Forschung entwickeln? Warum war es hierbei für die Ostschweiz wichtig nach neuen Wegen zu suchen?
Ralph Lehner: Die Schweiz und damit auch die Ostschweiz ist bereits Spitzenreiter bei Innovation und Forschung. Das belegt einerseits das neuste Ranking der WIPO (The Global Innovation Index 2019), andererseits die „Dichte“ an Schweizer Nobelpreisträgern: Kaum ein Land kann gemessen an der Bevölkerungszahl eine derart stattliche Zahl an Nobelpreisträgern (30) vorweisen. Die Ostschweiz ist zwar tatsächlich noch stark in der MEM-Industrie verwurzelt. Aufgrund der im internationalen Vergleich hohen Löhne lässt sich die hohe Exportquote der Ostschweizer Unternehmen jedoch nur dank ständiger Innovation halten. Um diesen strategischen Vorteil zu sichern oder gar auszubauen, wurden jüngst die Hochschulen gestärkt, das Forschungszentrum Rhysearch gegründet und die Forschungstätigkeit der Empa ausgebaut. Mit der Gründung des Innovationsparks Ost steht im kommenden Jahr ein weiterer Meilenstein an. Aktuell ist die Bewerbung des Standorts St.Gallen um Aufnahme als Netzwerkpartner innerhalb des Schweizerischen Innovationsparks beim Bundesrat hängig.
Handelskammer: Im globalen Wettbewerb versuchen die Regierungen ihre Länder als Unternehmensstandort attraktiv zu machen. Welche Besonderheiten gibt es hier in der Schweiz?
Ralph Lehner: Die Schweiz besitzt aufgrund ihrer zentralen Lage in Europa und dank des direktdemokratischen Systems einige Vorzüge wie Sicherheit und Stabilität, die von Unternehmen sehr geschätzt werden. Nachdem die Schweiz von der OECD wegen ihrer privilegierten Besteuerungsformen gerügt wurde, hat die Stimmbevölkerung 2019 einer Reform zugestimmt und damit die international kritisierten Steuerprivilegien abgeschafft. Um dennoch weiterhin tiefe Steuern bieten zu können, wurden neue OECD-konforme Instrumente eingeführt wie z.B. die Patentbox oder Überabzüge für Forschung und Entwicklung. Damit konnte die Schweiz ihren Spitzenplatz im BAK Taxation Index behaupten. Relevant sind aber auch „soft factors“ wie die hohe Lebensqualität, die Vielsprachigkeit, die Infrastruktur, die geringe Bürokratie und viele mehr.
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