Sowohl in Österreich als auch in der Schweiz gibt es das (rechtliche) Instrument der Vorsorgevollmacht (Österreich) bzw. des Vorsorgeauftrags (Schweiz). Die diesbezüglich in der Schweiz und in Österreich geltenden Regelungen sind im Kern zwar sehr ähnlich, im Detail aber doch unterschiedlich (bspw. was die Formvorschriften der Errichtung anbelangt). In diesem Blogbeitrag wollen wir zunächst auf die in Österreich geltenden Regelungen zur Vorsorgevollmacht näher eingehen.
Was ist eine Vorsorgevollmacht?
Die Vorsorgevollmacht gibt einer (natürlichen) Person die Möglichkeit, für den Fall vorzusorgen bzw. Regelungen zu treffen, wenn sie – sei es bspw. durch einen Unfall oder eine Krankheit – nicht mehr geschäftsfähig oder nicht mehr einsichts- und urteilsfähig sein sollte oder sich nicht mehr äußern kann (nachfolgend kurz „Vorsorgefall“). Mit einer Vorsorgevollmacht kann der Betroffene frei entschieden und selbst bestimmen, wen (mit gewissen Ausnahmen, siehe unten*) er bei Eintritt eines Vorsorgefalls beauftragt für ihn tätig zu werden. Man kann überdies frei festlegen, in welchen Angelegenheiten der Bevollmächtigte tätig werden soll. Es können auch mehrere Bevollmächtigte beauftragt werden.
* Als Vorsorgebevollmächtigter darf nicht eingesetzt werden, wer minderjährig oder selbst schutzberechtigt ist, wer eine dem Wohl der volljährigen Person förderliche Ausübung der Vertretung nicht erwarten lässt (etwa wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung), oder wer in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer vergleichbar engen Beziehung zu einer Einrichtung steht, in der sich die volljährige Person aufhält oder von der diese betreut wird.
Was sind die Vorteile einer Vorsorgevollmacht?
Der Vorteil einer Vorsorgevollmacht liegt darin, dass in einem Zeitpunkt, in der eine Person noch voll geschäftsfähig bzw. einsichts- und urteilsfähig ist, eine Person oder auch mehrere Personen des Vertrauens bestimmt werden kann/können, die für den Betroffenen im Vorsorgefall (rechtsgeschäftlich) in den von ihm bestimmten Angelegenheiten tätig wird/werden.
Eine solche Vorsorge ist sowohl für den privaten aber noch viel mehr für den unternehmerischen Bereich geradezu unaufschiebbar. Denn gerade im unternehmerischen und gesellschaftsrechtlichen Bereich müssen oftmals nicht nur von der Geschäftsführung sondern auch von den Gesellschaftern selbst kurzfristige Entscheidungen getroffen werden. Bleiben diese aus kann dies schnell einmal zu einer Existenzbedrohung führen.
Ohne eine solche Vorsorgevollmacht wird (für den Fall, dass die betreffende Person aufgrund ihres Zustandes nicht mehr in der Lage ist, einen Sachwalter, nunmehr Erwachsenenvertreter zu wählen) vom Gericht erst nach Verstreichen wertvoller Zeit entweder ein gesetzlicher Erwachsenenvertreter (in diesem Fall wird einem nahen Angehörigen die Vertretung des Betroffenen übertragen) oder ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter (im Regelfall ein Anwalt/Notar, wenn ein größeres Vermögen vorhanden ist) bestellt. Die betroffene Person kann somit nicht mehr bestimmen, wer ihre Angelegenheiten besorgt.
Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass der Betroffene im Rahmen einer Vorsorgevollmacht selbst entscheiden bzw. festlegen kann, ob und in welcher Höhe dem Bevollmächtigten ein Entgelt für seine Tätigkeiten zusteht. Bei einem gerichtlichen Erwachsenenvertreter ist dies nicht mehr möglich. Hier richtet sich die Entlohnung nach der Bestimmung des § 276 ABGB. Diese Bestimmung sieht vor, dass dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter eine jährliche Entschädigung zuzüglich der allenfalls zu entrichtenden Umsatzsteuer gebührt. Die Entschädigung beträgt fünf Prozent (!) sämtlicher Einkünfte der vertretenen Person nach Abzug der davon zu entrichtenden Steuern und Abgaben, wobei Bezüge, die kraft besonderer gesetzlicher Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen, nicht als Einkünfte zu berücksichtigen sind. Übersteigt der Wert des Vermögens der vertretenen Person 15.000 €, so sind darüber hinaus pro Jahr zwei Prozent (!) des Mehrbetrags an Entschädigung zu gewähren. Ist der gerichtliche Erwachsenenvertreter kürzer als ein volles Jahr tätig, so vermindert sich der Anspruch auf Entschädigung entsprechend. Diese Entschädigungen können vom Gericht im Einzelfall (bzw. je nach Art/Umfang der Tätigkeiten des Vertreters) sowohl vermindert als auch erhöht werden (§ 276 Abs 2 ABGB). Bei einem größeren Vermögen stellt die Tätigkeit eines Sachwalters/Erwachsenenschutzvertreter also durchaus ein gutes Geschäft dar.
Wann wird eine Vorsorgevollmacht errichtet?
Die Vorsorgevollmacht kann rechtsgültig nur vor einer/einem Notarin/Notar, einer/einem, Rechtsanwältin/Rechtsanwalt oder auch vor einem Erwachsenenschutzverein (sofern die zu regelnden Verhältnisse einfacher Natur sind) errichtet werden. Die Vorsorgevollmacht muss überdies schriftlich sein. Eine weitere Voraussetzung für die Errichtung ist die Geschäftsfähigkeit.
Was muss in einer Vorsorgevollmacht enthalten sein?
Folgende Angaben sollten in einer Vorsorgevollmacht enthalten sein:
Personalien der betroffenen Person sowie Name, Geburtsdatum und Adresse des Bevollmächtigten
Die genaue Bezeichnung der Aufgabenbereiche, für die der Bevollmächtigte zuständig sein soll
Festlegung des Zeitpunkts, ab welchem die Vorsorgevollmacht wirksam wird
Festlegung von individuellen Wünschen und Vorstellungen mit Bezug auf Pflegeleistungen, Aufenthalte in Heimen, medizinische Versorgungen und Behandlungen
Spezifische Bevollmächtigungshandlungen für unternehmerische/gesellschaftsrechtliche Belange
Registrierung der Vorsorgevollmacht
Sobald die Vorsorgevollmacht errichtet wurde, wird diese von der Errichtungsstelle (Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein) in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eingetragen.
Wann wird die Vorsorgevollmacht wirksam? Wann endet Sie?
Eine Vorsorgevollmacht wird erst dann wirksam, wenn die Person die Entscheidungsfähigkeit in jenen Angelegenheiten verliert, für die sie vorgesorgt hat. Dann können die zu vertretende Person und der Vorsorgebevollmächtigte den Eintritt des Vorsorgefalls eintragen lassen (ebenfalls im ÖZVV). Um den Verlust der Entscheidungsfähigkeit zu bescheinigen ist die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses notwendig.
Die Vorsorgevollmacht endet
mit dem Tod der vertretenen Person,
mit dem Tod der/des Vorsorgebevollmächtigten,
wenn ein Gericht die Vorsorgevollmacht mit Beschluss beendet (dies kommt allerdings nur in seltensten Fällen vor, beispielsweise dann, wenn die Vorsorgebevollmächtigte/der Vorsorgebevollmächtigte nicht zum Wohl der vertretenen Person handelt),
mit Eintragung der Kündigung, des Widerrufs oder des Wegfalls des Vorsorgefalls im ÖZVV.
Vorsorgevollmachten sind zeitlich nicht befristet und können auch jederzeit widerrufen werden und den Widerruf im ÖZVV eintragen lassen.
Sollten der Betroffene die Entscheidungsfähigkeit für die in der Vorsorgevollmacht genannten Angelegenheiten wiedererlangen, dann muss dies im ÖZVV eingetragen werden, wodurch die Vorsorgevollmacht beendet ist. Sollte es erneut zu einem Verlust der Entscheidungsfähigkeit kommen, kann der Vorsorgefall wieder registriert werden. Die Vorsorgevollmacht wird dann erneut wirksam.
Mit einer Vorsorgevollmacht hat es eine Person somit selbst in der Hand zu bestimmen, wer über sie (und auch zu welchen Kosten) bestimmt, wenn die betroffene Person einmal nicht mehr in der Lage dazu sein sollte. Obwohl die Vorsorgevollmacht zahlreiche Vorteile hat, haben nur gerade einmal 4% der Österreicherinnen und Österreicher eine Vorsorgevollmacht errichtet (laut Statistik Austria, 2018). Oftmals liegt der Grund darin, dass der Weg bis zur Errichtung und Registrierung der Vorsorgevollmacht als zu mühsam, zeit- und/oder kostenaufwändig erachtet wird. Die Verfasser dieses Blogs haben daher seit kurzem eine Website bzw. ein speziell auf die Vorsorgevollmacht (in Österreich) abgestimmtes Online-Erfassungssystem entwickelt, um die Abläufe für die Errichtung einer Vorsorgevollmacht effizienter zu gestalten. Mehr Informationen dazu finden Sie unter vorsorgevollmacht.lawco.at
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*Im Sinne einer besseren Lesbarkeit des Texts wurde entweder die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts. Frauen und Männer mögen sich vom Inhalt dieses Blogs-Beitrags gleichermaßen angesprochen fühlen. Danke für Ihr Verständnis!
Autor: Lic. iur. Michael Pérez
Michael Pérez ist Rechtsanwalt und Partner bei PRP Rechtsanwälte. Er hat seine juristische Ausbildung in der Schweiz abgeschlossen und war anschließend für einige Jahre in der Schweiz als Rechtsanwalt tätig. Seine Anwaltszulassung in Österreich erhielt er im Jahre 2006 und betreut seither von Wien aus speziell Mandanten mit bilateralen Verbindungen in die Schweiz und nach Österreich nach dem „One-Stop-Shop“-Prinzip. Der Fokus ist hier vor allem auf Rechtsfragen rund um Betriebsansiedlungen sowie grenzüberschreitende Vertriebs- und Handelstätigkeiten angelegt.
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