In unserem letzten Blog-Beitrag haben wir die in Österreich geltenden Regelungen hinsichtlich der Errichtung einer Vorsorgevollmacht näher beleuchtet. In diesem Blogbeitrag geben wir Ihnen nunmehr einen kurzen Überblick über die Errichtungsvorschriften und die Wirkungen eines Vorsorgeauftrags in der Schweiz.
Was versteht man unter einem Vorsorgeauftrag?
Mit einem Vorsorgeauftrag können Sie eine Person Ihres Vertrauens (auch juristische Personen) damit beauftragen, für Sie zu sorgen, falls Sie aus welchen Gründen auch immer urteilsunfähig werden sollten. Dabei können Sie selber festlegen, in welchen Bereichen die beauftragte Person im Vorsorgefall tätig werden soll. Im Gesetz (Art. 360 ZGB) sind als (vertretungsfähige) Bereiche die Personensorge, die Vermögenssorge oder die Vertretung im Rechtsverkehr genannt.
Was sind die Voraussetzungen für die Errichtung eines Vorsorgeauftrags?
In der Schweiz muss ein Vorsorgeauftrag um gültig zu sein entweder eigenhändig geschrieben, datiert und unterzeichnet sein oder durch einen Notar öffentlich beurkundet werden. Eine Registrierungspflicht gibt es zwar nicht, aber es ist zu empfehlen sowohl die Tatsache der Errichtung als auch den genauen Hinterlegungsort im Personenstandsregister des Zivilstandsamtes eintragen zu lassen. Dies hat den Vorteil, dass der Vorsorgeauftrag im Vorsorgefall leicht auffindbar ist. Die physische Hinterlegung des Vorsorgeauftrags selbst ist allerdings beim Zivilstandsamt nicht möglich.
Was sind die Regelungsinhalte eines Vorsorgeauftrags?
Mit einem Vorsorgeauftrag können Sie eine Person oder auch mehrere Personen als Beauftragte bevollmächtigen. Möglich (und ratsam) ist auch die Bestellung eines Ersatzbeauftragten, dies für den Fall, dass der Beauftragte nicht in der Lage ist, seine Aufgabe wahrzunehmen. Die Regelungsinhalte sind dabei frei wähl- bzw. definierbar. So kann ein Vorsorgeauftrag entweder umfassend erteilt oder sich auch nur auf einzelne Aufgaben(-bereiche) beschränken. Es können auch ganz spezifische Weisungen erteilt werden, wie bspw. welche Geschäfte der Beauftrage wahrnehmen darf und welche nicht. Allerdings hat es sich in der Praxis bewährt, den Tätigkeitsumfang des Beauftragten nicht im Vorhinein allzu stark einzugrenzen, damit dieser in Zukunft – bei sich verändernden Verhältnissen – noch genügend flexibel ist.
Wirkungskreis der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) beim Vorsorgeauftrag
Wenn die KESB Kenntnis darüber erlangt, dass eine Person urteilsunfähig geworden ist, klärt sie vorgängig ab, ob ein Vorsorgeauftrag errichtet worden ist. Trifft dies zu, klärt die KESB in weiterer Folge ab, ob die Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Vorsorgeauftrags erfüllt sind (dh. es wird geprüft, ob die Formvorschriften für die Errichtung des Vorsorgeauftrags eingehalten worden sind, ob die Urteilsunfähigkeit des Auftraggebers eingetreten ist und ob der Beauftragte bereit und auch geeignet ist, den Auftrag anzunehmen). Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, dann hat die KESB den Vorsorgeauftrag für wirksam zu erklären (sog. Validierung). Der Beauftragte erhält dann eine Legitimationsurkunde zwecks Nachweis seiner Vertretungs- bzw. Handlungsbefugnis im Geschäfts- bzw. Rechtsverkehr.
Hinzuweisen ist, dass die KESB selbst keine laufenden Kontrollen vornimmt. Die Tätigkeiten des Beauftragten werden somit nicht überprüft. Allerdings kann sie dann eingreifen, wenn die Interessen des Auftraggebers gefährdet sind oder wenn eine offensichtliche Interessenkollision vorliegt.
Jederzeit Widerruf möglich
Wie in Österreich kann auch in der Schweiz ein Vorsorgeauftrag jederzeit vom Auftraggeber widerrufen werden. Wenn ein Vorsorgeauftrag beim Zivilstandsamt registriert worden ist, so muss im Falle eines Widerrufs der Eintrag entsprechend gelöscht werden. Im Übrigen verliert ein Vorsorgeauftrag seine Wirkung von Gesetzes wegen dann, wenn die betroffene Person ihre Urteilsfähigkeit wiedererlangt hat.
Schlussbetrachtung
Die Errichtung einer Vorsorgevollmacht ist durchaus sinnvoll. Auch wenn Ehegatten bei Urteilsunfähigkeit ihres Ehepartners ein gesetzliches Vertretungsrecht für alltägliche Handlungen oder für die ordentliche Einkommens- und Vermögensverwaltung haben, brauchen Eheleute die Zustimmung der KESB, wenn weitergehende Handlungen anstehen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch, dass Konkubinatspartnern kein derartiges Vertretungsrecht zusteht. Zu beachten ist überdies, dass Banken und Behörden im Falle der Vertretung einer urteilsunfähigen Person in der Regel ein von der KESB ausgestelltes Legitimationspapier verlangen. Ein weiterer Vorteil eines Vorsorgeauftrags liegt u.a. auch darin, dass die Anordnungsbefugnisse der KESB auf ein Minimum eingeschränkt werden.
*Im Sinne einer besseren Lesbarkeit des Texts wurde entweder die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts. Frauen und Männer mögen sich vom Inhalt dieses Blogs-Beitrags gleichermaßen angesprochen fühlen. Danke für Ihr Verständnis!
Abonnieren Sie den Blog jetzt, um keinen Beitrag zu verpassen.
Autor: Lic. iur. Michael Pérez
Michael Pérez ist Rechtsanwalt und Partner bei PRP Rechtsanwälte. Er hat seine juristische Ausbildung in der Schweiz abgeschlossen und war anschließend für einige Jahre in der Schweiz als Rechtsanwalt tätig. Seine Anwaltszulassung in Österreich erhielt er im Jahre 2006 und betreut seither von Wien aus speziell Mandanten mit bilateralen Verbindungen in die Schweiz und nach Österreich nach dem „One-Stop-Shop“-Prinzip. Der Fokus ist hier vor allem auf Rechtsfragen rund um Betriebsansiedlungen sowie grenzüberschreitende Vertriebs- und Handelstätigkeiten angelegt.
Kommentare