"Unsere Zeit ist geprägt von Disruption"
Interview mit Dr. Rudolf Krickl, CEO PwC Österreich

16.02.2023
Foto von Rudolf Krickl vor einer Wand mit pwc-Logo (Foto © PwC Österreich)
Dr. Rudolf Krickl ist CEO von PwC Österreich und seit 2022 Mitglied im Direktionsrat der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein. (Foto © PwC Österreich)

Der seit 25 Jahren im Unternehmen tätige Wirtschaftsexperte Rudolf Krickl (53) übernahm Anfang Juli 2022 als neuer Territory Senior Partner die Leitung von PwC Österreich, einem der größten österreichischen Dienstleister für Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Rechtsberatung sowie Unternehmensberatung. Im Juni 2022 wurde Dr. Rudolf Krickl in den Direktionsrat der HKSÖL gewählt. Aus diesem Anlass hat der Ehrenpräsident der HKSÖL, Heinz Felsner, mit ihm ein Gespräch geführt.

Heinz Felser: Herr Krickl, die HKSÖL gratuliert zu Ihrer Nominierung als CEO von PwC Österreich. Sie sind ja bereits seit 25 Jahren bei PwC Österreich tätig und waren bereits in den vergangenen zehn Jahren im Territory Leadership Team, dem Board von PwC Österreich, u. a. für die Marktaktivitäten und den Außenauftritt des Unternehmens verantwortlich. Wie hat sich damit Ihre Funktion im Unternehmen verändert?

Rudolf Krickl: Ich bedanke mich ganz herzlich! In der Tat hat sich meine Tätigkeit in der neuen Rolle erweitert. Hinzu kam die Gesamtverantwortung für das Unternehmen, mit aktuellen Schwerpunkten und (Mega-)Trends, die mich als CEO und unsere Firma als Ganzes beschäftigen. Dazu gehören z. B. die Gestaltung der Arbeitswelt der Zukunft und wie sie sich auf Unternehmen, Wirtschaft und Gesellschaft auswirkt, die Ausrichtung der Organisation an unseren ESG-Zielen, wie wir sie etwa in unserem Nachhaltigkeitsbericht festhalten, oder die Weiterentwicklung unserer drei strategischen Geschäftsfelder – Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Rechtsberatung bzw. Unternehmensberatung. Und selbstverständlich verbringe ich nun noch mehr Zeit als vorher damit, Kontakte zu knüpfen, Gespräche zu führen und mich mit anderen CEOs auszutauschen.

Wie ist Ihre Nominierung erfolgt, in einem Unternehmen, das in Österreich über 1.300 Mitarbeitende an fünf Standorten beschäftigt, und an dem Sie gemeinsam mit mehr als zwei Dutzend weiteren Partner:innen Eigentümer sind?

Wir sind eine partnerschaftlich organisierte österreichische Gesellschaft, die Teil eines weltweiten Netzwerks ist. Die Partner:innen wählen den CEO mit einer Zweidrittelmehrheit. Wie Sie erwähnt haben, war ich ja durch meine langjährige Zugehörigkeit zu PwC und meinen Tätigkeiten im Board für die Wählenden gut bekannt ...

Sie bringen langjährige Erfahrung aus der Beratung im Bereich Familienunternehmen mit, die neben internationalen Konzernen auch zu Ihren Kunden zählen. Welche Veränderungen sehen Sie auf diese nicht nur für Österreich so wichtige Gruppe von Unternehmen zukommen?

Unsere Zeit ist geprägt von Disruption. Wir erleben multidimensionale Krisen, die sich teilweise gegenseitig überlagern. Dazu kommen Transformationen wie etwa im Bereich der Digitalisierung. All das erfordert für die Führung eines Unternehmens besonders viel Flexibilität und vorausschauendes Planen. Auch auf Familienunternehmen kommen diese Umbrüche mit Riesenschritten zu. Gerade in Bezug auf Digitalisierung, dem seit Jahren konstant wichtigen Trend, zeigen viele dieser Unternehmen deutliche Defizite. Dabei bietet gerade diese Transformation, wenn sie über die administrativen Unternehmensprozesse hinaus geht, große Chancen, eine Neugestaltung des Geschäftsmodells anzustreben und damit die Wettbewerbsposition langfristig zu stärken. Andererseits können durch den Einbezug von Spezialist:innen – aus der Familie oder externe – dringend notwendige Kenntnisse und Fähigkeiten z. B. aus dem Digital- oder ESG-Bereich in der Führungsetage Einzug halten.

Eine weitere Herausforderung sind die aktuellen Engpässe in der Lieferkette. Auch hier müssen Unternehmen – große wie kleine – grundlegend umdenken. Eine Umstellung von Single Sourcing, bisher vor allem auf Asien aufbauend, auf regionales Multisourcing bietet große Chancen, von besserer Absicherung der Lieferkette bis hin zu zusätzlicher lokaler Wertschöpfung. Diese Veränderung ist ein wichtiger Treiber für etwas, das ich persönlich nicht genug betonen kann: Wir müssen wegkommen von einem sogenannten Shareholder-Anspruchsdenken und uns in Richtung einer viel umfassenderen, ganzheitlicheren Stakeholderperspektive entwickeln. Denn zum wirtschaftlichen Ökosystem einer Region zählen viel mehr Akteure als nur die Anteilseigner oder Eigentümer.

Eine weitere Herausforderung, mit der sämtliche Unternehmen zu tun haben, ist der aktuelle Fachkräftemangel. Wie können (Familien-)Unternehmen diesem begegnen und welche Veränderungen sehen Sie bei der Einstellung von neuen Mitarbeitenden?

Laut einer aktuellen PwC-Befragung von weltweit über 50.000 Angestellten aller Branchen zogen mehr als 20 Prozent in Erwägung, in den nächsten 12 Monaten den Job zu wechseln, sodass wir von einer Phase der „Great Resignation“ sprechen können. Wir beobachten, dass vor allem junge Mitarbeitende, die der sogenannten „Gen Z“ und damit den Jahrgängen ab 1997 angehören, andere Erwartungshaltungen an ihre Arbeit und den Arbeitsplatz einbringen.

Geld allein reicht nicht aus, um Arbeitnehmer:innen vor der Kündigung abzuhalten. Sondern häufig sind es immaterielle Faktoren im Zusammenhang mit den Arbeitsplatz-Qualitäten: Flexibilität und eine gute Work-Life-Balance, Selbstverwirklichung, Arbeit mit Sinngehalt oder die Tatsache, dass sich der eigene Arbeitgeber für die richtigen Themen engagiert, etwa Gleichberechtigung oder einen geringeren CO2-Fußabdruck.

Wie sehen Sie die Auswirkungen der aktuellen Kriegsereignisse in der Ukraine und der damit verbundenen Energiekrise auf die österreichischen Unternehmen?

Niemals sollte ein Krieg notwendig sein, um Veränderungen, die seit Jahren als grundsätzlich notwendig gesehen wurden, auch umzusetzen. In der aktuellen Situation zeigt sich – neben dem entsetzlichen Leid für Millionen Menschen in den Kriegsgebieten – wie dringend wir an der Energiewende arbeiten müssen, um unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beenden und die Klimakrise gemeinsam zu bewältigen.

Ich sehe Familienbetriebe hier im Allgemeinen gut aufgestellt, um die notwendigen Maßnahmen zu setzen. Sie sind durch Größe und Führungsstruktur oft in der Lage, rasch die wirksamsten und kostengünstigsten Aktionen für ihr Unternehmen zu beschließen und umzusetzen. Klar ist, dass jedes Unternehmen in Bezug auf Energieabhängigkeit einen detaillierten Notfallplan braucht, um den Betrieb auch bei Engpässen der Energieversorgung aufrecht erhalten zu können. Das haben wir auch für unser Unternehmen getan: PwC Österreich setzt seit 1.1.2023 zu 100 % Energie aus österreichischer Wasserkraft ein.

Welche Forderungen stellen Sie an die österreichische Politik?

Die Anforderungen an nachhaltiges Wirtschaften, die in zunehmender Frequenz und Detaillierung von der EU kommen, dürfen nicht zu einem Standortnachteil für die kleineren Unternehmen führen. Dennoch bieten einheitliche Rahmenbedingungen die Chance, dass Unternehmen voneinander lernen und demselben Ziel zuarbeiten, etwa was die ESG-Reportingstandards betrifft. Österreich ist grundsätzlich gefordert, gemeinsam mit anderen EU-Staaten diese und weitere Standards praxisnah mitzugestalten. Besonders wichtig ist mir: Alle diese Regelungen müssen mit Augenmaß und dem Anspruch an Übersichtlichkeit gestaltet werden. Kommt eine zusätzliche Regelung hinzu, sollte sie eine bereits vorhandene ersetzen.

Was kann die HKSÖL dazu beitragen? Und vor allem Sie persönlich als neugewähltes Mitglied im Direktionsrat, wozu ich Ihnen nochmals herzlich gratuliere.

Ich sehe die Handelskammer als eine wesentliche Plattform für einen guten Austausch zwischen den Unternehmen – ganz allgemein und vor allem zu spezifischen Themen, zu denen die Teilnehmer:innen eigene, wertvolle Erfahrungen einbringen. Wir stehen vor großen Disruptionen, die wir dann am besten meistern, wenn wir voneinander lernen und gemeinsam neue Lösungen denken.

Ich bin überzeugt, dass die HKSÖL für wesentliche Anliegen ein starkes Organ ist, die wirtschaftlichen Beziehungen im Raum Schweiz, Österreich und Liechtenstein fördert und darüber hinaus viele Unternehmensstimmen bündelt und zu Gehör bringen kann – auch gegenüber der Politik. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit im Direktionsrat!

Ich danke Ihnen herzlich für dieses Gespräch und wünsche Ihnen für Ihre neuen Aufgaben das Beste!

 

Portraitfoto von Rudolf Krickl

Dr. Rudolf Krickl absolvierte ein Betriebswirtschaftsstudium an der Wirtschaftsuniversität Wien, bei PwC Österreich stieg der gebürtige Wiener 1996 ein. In den ersten Jahren durchlief Krickl sämtliche Bereiche, von der Wirtschaftsprüfung bis zur Unternehmensberatung, er entwickelte Business Cases und spezialisierte sich schließlich im Bereich Tax and Legal Services auf international tätige Unternehmen. 2009 stieg Rudolf Krickl zum Partner auf und ist seither als Experte für die Beratung von Familienunternehmen sowie Private Wealth verantwortlich. Seit zehn Jahren koordiniert Krickl als Markets Leader alle Vertriebs- und Marktaktivitäten von PwC Österreich. Der bestens in der österreichischen und internationalen Unternehmenslandschaft vernetzte Experte ist Mitglied der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und engagiert sich darüber hinaus in weiteren Gremien, sein Wissen gibt er regelmäßig in Fachvorträgen im In- und Ausland sowie in Publikationen weiter.
Rudolf Krickl lebt mit seiner Partnerin in Brunn am Gebirge im Süden Wiens. Seine Hobbies führen ihn vor allem ins Freie: Dazu gehören Laufen Skifahren, Wandern und das Reisen.

 

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