In den letzten Jahren haben sich die Anforderungen an Versicherungen stark verändert. Wir haben darüber mit Andrea Stürmer, MSc MPA, Vorsitzende des Vorstandes von Zurich Österreich, gesprochen.
hub: Inwiefern ändert sich derzeit die Risikolandschaft?
Andrea Stürmer: Seit jeher sind Unternehmen einer Vielzahl von Risiken ausgesetzt. Sie haben sich im Zeitverlauf allerdings geändert. Wie, das erhebt alljährlich der Global Risks Report des World Economic Forum. Der Bericht weist aus, welches die wichtigsten globalen Risiken der nächsten zehn Jahre sind, und zwar nach Auswirkung und Eintrittswahrscheinlichkeit. Die Entwicklung der letzten zehn Jahre zeigt eine deutliche Verschiebung. 2009 waren es noch vorwiegend wirtschaftliche Risiken, die als Bedrohung gesehen wurden. Seit drei Jahren dominieren Umweltrisiken: An erster Stelle stehen extreme Wetterereignisse, also Hitze, Stürme, Überschwemmungen. Auf Platz zwei in der weltweiten Risikolandschaft sind Versäumnisse der Klimapolitik, auf Platz drei Naturkatastrophen wie Tsunamis und Erdbeben.
Risiko Klima und Umwelt
hub: Umweltbedrohungen sind im privaten Bereich ein grosses Thema. Betreffen die daraus erwachsenden Risiken auch den Businessbereich? Inwiefern?
Stürmer: Der Klimawandel und Umweltbedrohungen sind längst keine Themen der Zukunft mehr. Ganz im Gegenteil, sie haben schon heute sehr konkrete Auswirkungen für Unternehmen. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen: Stellen Sie sich vor, ein österreichisches Industrieunternehmen hat einen Produktionsstandort in Indonesien und dieser wird durch einen Tsunami zerstört. Als Folge verzeichnet das Unternehmen Produktionsausfälle, kann seine Aufträge nicht bedienen und muss die Kosten für den Wiederaufbau tragen. Oder denken Sie an ein Wintersporthotel. Was, wenn durch die Klimaerwärmung kein Schnee mehr fällt, die künstliche Beschneiung unrentabel wird und Gäste fernbleiben? Beides sind sehr reelle Szenarien, die sich aus dem Klimawandel und Umweltrisiken ergeben können. Unternehmen sind gut beraten, sich intensiv mit den Szenarien zu beschäftigen, die sich für sie aus dem Klimawandel langfristig ergeben. Es geht darum, sich auf die Zukunft vorzubereiten und sich gegen diese Risiken abzusichern.
Höheres Risikobewusstsein bei internationalen Unternehmen
hub: Wie hat sich das Sicherheitsbedürfnis der Unternehmen in den vergangenen Jahren verändert?
Stürmer: Das Sicherheitsbedürfnis von Unternehmen ist heute ein anderes als noch vor zehn Jahren. Vor allem in Betrieben, die international oder multinational tätig sind, ist das Risikobewusstsein deutlich ausgeprägter als früher. Das ist einerseits darauf zurückzuführen, dass fast alle Industrieversicherer ihre Risikomanagement-Abteilungen aufgestockt haben und Risiken, die sie übernehmen, viel genauer bewerten. Andererseits sehen wir, dass auch immer mehr Industrieunternehmen eigene Risikomanager haben. Diese Betriebe beschäftigen sich heute viel mehr mit der Risikoproblematik als noch vor zehn Jahren. Und dieser Trend wird sich fortsetzen. Gleichzeitig wird es für Unternehmen im Industriesegment teilweise teurer und schwieriger, ihre Risiken abzusichern. Es ist also durchaus auch im eigenen wirtschaftlichen Interesse von Unternehmen, sich mit ihrer Risikosituation auseinanderzusetzen.
hub: Was muss die Versicherungsbranche bieten, um auf die neuen Anforderungen einzugehen?
Stürmer: Die Versicherungsbranche trägt eine grosse Verantwortung gegenüber ihren Unternehmenskunden. Diese Verantwortung geht darüber hinaus, passende Versicherungslösungen anzubieten. Mindestens genauso wichtig ist es, Unternehmen zu ihren Risiken zu beraten. Denn wir als Versicherer haben ein breites Know-how darüber, welchen Risiken Unternehmen ausgesetzt sind und wie sie sich auswirken können. Bei der Zurich Gruppe haben wir weltweit einige hundert Experten, die auf bestimmte Branchen spezialisiert sind und so Unternehmen zu ihren Risiken beraten können. Diese „Risk Engineers“ machen sich vor Ort ein Bild von der Risikosituation und erarbeiten gemeinsam mit den Betrieben Konzepte zur Prävention und Absicherung der Risiken. Es gibt weltweit nur wenige Versicherer, die diese Kompetenz haben und Kunden zur Verfügung stellen können.
Selbstverständlich müssen wir uns als Versicherer auch ganz aktiv dafür einsetzen, dass die globalen Umweltrisiken minimiert werden. Wir bei Zurich tun einiges dafür, auf weltweiter und auf lokaler Ebene. So verwenden wir bei Zurich Österreich etwa nur Strom aus erneuerbaren Quellen. Auf globaler Ebene war die Zurich Gruppe heuer im Sommer das erste Versicherungsunternehmen, das sich zum Business Ambition for 1,5°C Pledge (Anmerkung der Redaktion: eine Initiative der UN, bei der Unternehmen Massnahmen ergreifen, um den Temperaturanstieg zu bremsen) verpflichtete. Erst kürzlich hat sich die Zurich Gruppe als Gründungsmitglied der Net-Zero Asset Owner Alliance der Vereinten Nationen verpflichtet, ihr Anlageportfolio bis 2050 emissionsfrei zu gestalten.
Andrea Stürmer
ist seit 1. März 2017 Vorstandsvorsitzende der Zürich Versicherungs-Aktiengesellschaft. Sie ist seit 2007 bei der Zurich Gruppe. Nach Führungspositionen im Finanzbereich, in der Rückversicherung und dem CEO Office in der Konzernzentrale in der Schweiz war sie als Chief Operating Officer für den KMU-Bereich bei der Zurich-Tochter Farmers in Kalifornien verantwortlich. Vor ihrem Wechsel zur Zurich Gruppe war Andrea Stürmer im Investmentbanking in London und bei einem globalen Versicherer in Deutschland tätig. Sie hat Masterstudien an der London School of Economics und der renommierten Harvard University abgeschlossen.
Foto: Zurich
Zurich Österreich
Die Zürich Versicherungs-Aktiengesellschaft in Österreich gehört zu den führenden Versicherungen in Österreich und ist Teil der weltweit tätigen Zurich Insurance Group AG. Zurich Österreich bietet vielfach ausgezeichnete Produkte in der Schaden-, Unfall- und Lebensversicherung. Zu den rund 700.000 Kundinnen und Kunden zählen Einzelpersonen, KMU sowie multinationale Konzerne. Zurich Österreich ist Arbeitgeber für rund 1.200 Mitarbeitende in allen Bundesländern. Das Unternehmen führt die Marke Zurich und die Direktmarke Zurich Connect.
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