Insolvenzrecht in der Schweiz und in Österreich

20.03.2023
Foto von einem verzweifelt aussehenden Legomännchen an einem Lego Schreibtisch

Das Konkursrecht bzw. Konkursverfahren/Insolvenzverfahren in der Schweiz und in Österreich ist in den Grundzügen sehr ähnlich ausgestaltet. Es gibt aber auch Unterscheide, insbesondere im Bereich der Einleitung und des Ablaufs des Konkursverfahrens sowie in Bezug auf die Sanierungsmöglichkeiten. In diesem Blogbeitrag möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick über die konkursrechtlichen Regelungen in der Schweiz und in Österreich verschaffen.
 

Rechtslage in der Schweiz

1. Allgemeines – Einleitung des Konkursverfahrens

Grundsätzlich gibt es zwei Arten, wie ein Konkursverfahren eingeleitet wird: Entweder veranlasst ein Gläubiger die Eröffnung des Verfahrens durch eine sog. Schuldbetreibung oder aber das Unternehmen meldet selbst Konkurs an, wenn es sich (insbesondere aufgrund der gesetzlichen Vorgaben im Gesellschaftsrecht) als insolvent betrachten muss. In Ausnahmefällen kann der Gläubiger auch ohne vorherige Betreibung den Konkurs verlangen[1].

2. Konkursanmeldung durch den Schuldner selbst

Wenn ein Unternehmen ernsthaft annehmen muss, dass es überschuldet ist, muss die Geschäftsleitung  (Verwaltungsrat bei der AG/Geschäftsführer bei der GmbH) eine Zwischenbilanz erstellen und diese der Revisionsstelle zur Überprüfung vorlegen. Ergibt sich daraus, dass die geschuldeten Forderungen nicht mehr zurückgezahlt werden können, ist die Geschäftsleitung verpflichtet, eine Anzeige beim zuständigen Bezirksgericht zu machen bzw. das Gericht von der Insolvenz zu unterrichten und ein Konkursverfahren einzuleiten. Der Richter muss nur dann nicht benachrichtigt werden, wenn die Gesellschaftsgläubiger einwilligen, dass ihre Forderungen im Ausmaß der Unterdeckung im Rang hinter die Forderungen aller anderen Gesellschaftsgläubiger zurückgestuft werden.

Von dem Moment an, wo das Gericht den Konkurs verkündet, wird das Verfahren nicht mehr vom Unternehmen selbst abgewickelt, das kein Recht auf die Verwaltung seiner Güter mehr hat, sondern vom zuständigen Konkursamt. Der Konkursit muss für das Konkursamt weiterhin erreichbar sein und unter Androhung von Sanktionen seine gesamten Vermögenswerte angeben und zur Verfügung stellen.

3. Einleitung des Konkursverfahrens durch einen Gläubiger

Jeder Gläubiger kann gegen einen Schuldner, der seine Forderung nicht bezahlt hat, ein Betreibungsverfahren einleiten. Im Handelsregister eingetragene juristische Personen, Inhaber einer Einzelfirma und unbeschränkt haftende Organe unterliegen der „Betreibung auf Konkurs“, alle anderen Schuldner der „Betreibung auf Pfändung“. Um ein Betreibungsverfahren einzuleiten, muss der Gläubiger zunächst ein Formular für ein Betreibungsbegehren ausfüllen, das bei den Betreibungsämtern erhältlich ist, und dieses beim Amt einreichen. Das Betreibungsamt muss nach Erhalt des Begehrens einen Zahlungsbefehl ausstellen und dem Schuldner übermitteln.

Der Schuldner hat nach Erhalt des Zahlungsbefehls folgende Möglichkeiten:

  • Er zahlt die Schuld innert 20 Tagen oder
  • er bestreitet die Forderung oder
  • es erfolgt keine Bestreitung bzw. keine Reaktion

Bestreitet der Schuldner die Forderung nicht, beginnt die zweite Phase der Betreibung, nämlich die „Betreibung auf Konkurs“. Das Verfahren beginnt damit, dass die Sache vor den Richter gebracht wird, und läuft gleich ab, wie bei einer Konkursanmeldung auf eigenes Begehren (siehe oben). Wenn der Schuldner hingegen die Forderung bestreitet, kann der Gläubiger beim Richter ein sog. Rechtsöffnungsverfahren verlangen. Auch dieses kann – wenn der Schuldner in diesem Verfahren unterliegt – in einen Konkurs münden.

4. Ablauf des Konkursverfahrens

Das Gericht eröffnet den Konkurs im Konkurserkenntnis. Der Entscheid wird dem Betreibungs- und Konkursamt, dem Grundbuch- und dem Handelsregisteramt durch das Gericht mitgeteilt. Die Eröffnung des Konkurses hat zur Folge, dass sämtliches Vermögen des Schuldners, egal wo es sich befindet, in die Konkursmasse fällt. Im Sinne einer Gesamtexekution wird das gesamte Vermögen allen Gläubigern zur gemeinsamen Befriedigung ihrer Forderungen herangezogen. Gleichzeitig verliert der Schuldner die Verfügungsfähigkeit über sein Vermögen. Rechtshandlungen nach Konkurseröffnung, welche noch durch den Schuldner vorgenommen wurden, sind gegenüber den Konkursgläubigern ungültig. 

Die zuständige Konkursverwaltung übernimmt ab dem ersten Konkurstag die Führung der Geschäfte bis zum Schluss des Konkurses. Sie hat alle zur Erhaltung und Verwertung der Masse gehörenden Geschäfte zu besorgen und vertritt die Masse vor Gericht.

Die meisten Konkurse in der Schweiz werden im sog. summarischen Verfahren durchgeführt. Im Gegenzug dazu gibt es das ordentliche Konkursverfahren, welches mit dem summarischen Verfahren zwar vergleichbar ist, in der Phase der Verwaltung der Konkursmasse werden jedoch zusätzlich zwei Gläubigerversammlungen einberufen, anhand derer die Gläubiger die Verwertung überwachen und prüfen können. Seitens der Gläubiger bewirkt die Konkurseröffnung die Fälligkeit sämtlicher Schuldverpflichtungen (Ausnahme: grundpfandgesicherte Forderungen). Der Gläubiger kann neben der Hauptforderung die Zinsen bis zum Tag der Konkurseröffnung sowie zusätzlich die Betreibungskosten geltend machen. Die Geltendmachung erfolgt im öffentlich bekannt gemachten Schuldenruf.

Nach abgelaufener Eingabefrist erstellt das Konkursamt den Kollokationsplan. Dieser wird beim Konkursamt zur Einsicht aufgelegt. Ein Gläubiger kann den Kollokationsplan mittels der Kollokationsklage anfechten, wenn er mit dem ihm zugewiesenen Rang oder einer allfälligen Abweisung seiner Forderung durch das Konkursamt, nicht einverstanden ist. Die zur Konkursmasse gehörenden Vermögensgegenstände werden sodann auf Anordnung der Konkursverwaltung öffentlich versteigert. Möglich ist aber auch ein freihändiger Verkauf, falls die Gläubiger dies auf Antrag des Konkursamtes beschließen.

Das Konkursverfahren wird mit der Verteilung des schuldnerischen Vermögens beendet. Die Konkursverwaltung stellt eine Verteilungsliste und die Schlussrechnung auf, nachdem der Erlös aus der Konkursmasse festgestellt wurde. Die Verfahrenskosten werden vorab aus dem Erlös gedeckt. Erst dann zahlt das Konkursamt die gemäß Kollokationsplan und Verteilungsliste errechnete sogenannte Konkursdividende pro Gläubiger aus. Für den ungedeckten Betrag seiner Forderung erhält jeder Gläubiger einen Konkursverlustschein. Nach Prüfung des Schlussberichtes des Konkursamtes, verfügt das Gericht den Schluss des Konkursverfahrens mit einem öffentlich bekannt zu machenden Schlussdekret.

5. Konkursvermeidung – Nachlassstundung/Nachlassvertrag

Ein drohender Konkurs kann manchmal durch ein gerichtliches Nachlassverfahren abgewendet oder zumindest der Schaden minimiert und Teile des Betriebs gerettet werden. Im Rahmen eines Nachlassverfahrens erhält ein Unternehmen mit einer Nachlassstundung Zeit, um Sanierungsmaßnahmen zu prüfen und allenfalls auch einen teilweisen Erlass der Schulden zu erwirken.

Das Nachlassverfahren beginnt mit einer provisorischen Nachlassstundung. Stundung bedeutet, dass das Unternehmen während vier Monaten nicht betrieben werden kann. Während dieser Zeit kann das Unternehmen Sanierungsmöglichkeiten prüfen und realisieren, während der operative Betrieb fortgesetzt wird. Es besteht die Möglichkeit, die provisorische Nachlassstundung auf acht Monate zu verlängern. Der Antrag auf Gewährung einer Nachlassstundung muss beim Bezirksgericht gestellt werden. Dabei muss aufgezeigt werden, dass eine Aussicht auf Sanierung besteht und es muss ein Sanierungsplan vorgelegt werden. Außerdem wird ein Sachwalter eingesetzt.

Wenn sich während der provisorischen Stundung zeigt, dass eine Aussicht auf vollständige Sanierung besteht oder ein Nachlassvertrag mit den Gläubigern mit einem teilweisen Schuldenerlass möglich ist, bewilligt das Gericht einen Antrag des Unternehmens auf definitive Nachlassstundung. Damit hat das Unternehmen wieder einige Monate Zeit, um den Sanierungsplan umzusetzen. Ziel ist die Weiterführung des Unternehmens oder allenfalls von Teilen davon. Der Sachwalter beruft eine Gläubigerversammlung ein und unterbreitet den Gläubigern gegebenenfalls einen Nachlassvertrag. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die privilegierten Gläubiger (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Sozialversicherungen) vollständig ausbezahlt werden können. Den übrigen Gläubigern wird ein Teilverzicht auf ihre Forderungen vorgeschlagen. Die Gläubigerversammlung muss den Nachlassvertrag mit einem qualifizierten Mehr annehmen.
 

Rechtslage in Österreich

1. Arten des Insolvenzverfahrens

In Österreich gibt es vier Grundvarianten eines Insolvenzverfahrens:

  1. Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung
  2. Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung
  3. Konkursverfahren
  4. Schuldenregulierungsverfahren (“Privatinsolvenz”)

Im Rahmen einer “Privatinsolvenz” gibt es weitere Untergliederungen bzw. Varianten:

  1. Schuldenregulierungsverfahren
  2. Zahlungsplan
  3. Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung

1. Wie kommt es zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens?

Für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder
  • seine insolvenzrechtliche Überschuldung (bei juristischen Personen, Personengesellschaften bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist sowie Verlassenschaften)

2. Wie läuft ein Insolvenzverfahren ab?

Das Konkursverfahren wird entweder auf Antrag eines Gläubigers oder des Schuldners mittels Eröffnungsbeschlusses durch das zuständige Gericht eröffnet. Danach folgt die Prüfphase in der Masseverwalter ermittelt, ob das Unternehmen saniert und fortgeführt oder wie das Vermögen sinnvoll verwertet werden kann.

Diese Entscheidung wird in der Berichtstagsatzung gefällt, die auch den Zweck der ersten Gläubigerversammlung erfüllen kann. Es folgen dann die Forderungsanmeldungen der Gläubiger, über die in der allgemeinen Prüfungstagsatzung entschieden wird. Die Berichtstagsatzung und die Prüfungstagsatzung können verbunden werden.

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verfügungsgewalt über die Insolvenzmasse (Unternehmen, Vermögen) vom Schuldner auf den vom Gericht bestellten Insolvenzverwalter über. Es kommt zur Exekutions- und Prozesssperre.  

Das Konkursverfahren endet mit der Verwertung und Verteilung (Schlussverteilung) der Insolvenzmasse (Verteilungstagsatzung) sowie der Rechnungslegungs- oder Schlussrechnungstagsatzung.

Kommt es zu keiner Quote an die Insolvenzgläubiger, dann wird das Insolvenzverfahren mangels vorhandenen Vermögens durch Gerichtsbeschluss aufgehoben.

Rechtswirkungen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens: Der Schuldner ist über sein Vermögen wieder frei verfügungsberechtigt. Er wird aber nur insoweit von seinen Verbindlichkeiten befreit, als die Quote an die Insolvenzgläubiger ausbezahlt wurde. Die Restschuld bleibt 30 Jahre lang aufrecht. Exekutionen noch aushaftender Forderungen in das Vermögen des Schuldners sind wieder möglich.

3. Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung

Als Sanierungsverfahren wird das Insolvenzverfahren dann bezeichnet, wenn bei der Eröffnung des vom Schuldner[2] beantragten Verfahrens ein zulässiger Sanierungsplan vorliegt. Gleichzeitig mit der Eröffnung hat das zuständige Gericht eine Sanierungsplantagsatzung auf 60 bis 90 Tage anzuberaumen.  Es folgt die Prüfphase in der der Masseverwalter ermittelt, ob das Unternehmen saniert und fortgeführt oder wie das Vermögen am sinnvollsten liquidiert werden kann. Wird dem Sanierungsplan vom Gericht die Bestätigung versagt oder in der Sanierungsplantagsatzung abgelehnt, ist die Bezeichnung in Konkursverfahren zu ändern. Dem Schuldner wird jedenfalls die Verfügungsgewalt entzogen. Die wichtigste Tagsatzung ist die Sanierungsplantagsatzung, die der Verhandlung und Beschlussfassung über den Sanierungsplan dient. Diese ist zwingend mit der Rechnungslegungs- oder Schlussrechnungstagsatzung zu verbinden.

Zur Annahme des Sanierungsplans ist erforderlich, dass die Mehrheit der bei der Tagsatzung anwesenden stimmberechtigten Insolvenzgläubiger dem Antrag zustimmt (Kopfmehrheit) und dass die Gesamtsumme der Forderungen der zustimmenden Insolvenzgläubiger mehr als die Hälfte der Gesamtsumme der Forderungen der bei der Tagsatzung anwesenden stimmberechtigten Insolvenzgläubiger beträgt (Kapitalmehrheit).

4. Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung

Wenn ein Schuldner einen Antrag auf Abschluss eines Sanierungsplanes mit einer Quote von mindestens 30 % unter Vorlage bestimmter (aussagekräftiger) Unterlagen stellt, steht ihm die Verwaltung der Insolvenzmasse unter Aufsicht eines Sanierungsverwalters zu (sog. Eigenverwaltung). Der Schuldner ist in so einem Fall grundsätzlich berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, für die das Gesetz keine Einschränkungen macht.

Die Eigenverwaltung ist allerdings zeitlich auf 90 Tage ab der Eröffnung begrenzt, es sei denn, dass bis dahin der Sanierungsplan angenommen worden ist. Bei entsprechender Vorbereitung des Verfahrens und wenn der Sanierungsplan innerhalb von rund 3 Monaten die Zustimmung der Gläubigermehrheit findet, kann damit die im Insolvenzrecht grundsätzlich vorgesehene Entmachtung des Schuldners, weitgehend ausgeschlossen werden.

 

[1] Der Gläubiger kann ohne vorgängige Betreibung das Konkursbegehren stellen, wenn der Schuldner unbekannten Aufenthaltes ist, sich durch Flucht seinen Verbindlichkeiten entzieht, sich betrügerische Machenschaften zuschulden kommen lässt oder Vermögen verheimlicht, seine Zahlungen einstellt sowie im Falle von Art. 309 SchKG (Scheitern des Nachlassvertrages)

[2] Ein Sanierungsverfahren ist nur für Schuldner anwendbar, die ein Unternehmen betreiben; natürliche Personen sind von diesem Verfahren daher ausgeschlossen

 

Autor: Lic. iur. Michael Pérez

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Michael Pérez ist Rechtsanwalt und Partner bei Prettenhofer Raimann Pérez Tschuprina Rechtsanwaltspartnerschaft (LAWCO. Rechtsanwälte). Er hat seine juristische Ausbildung in der Schweiz abgeschlossen und war anschließend für einige Jahre in der Schweiz als Rechtsanwalt tätig. Seine Anwaltszulassung in Österreich erhielt er im Jahre 2006 und betreut seither von Wien aus speziell Mandanten mit bilateralen Verbindungen in die Schweiz und nach Österreich nach dem „One-Stop-Shop“-Prinzip. Der Fokus ist hier vor allem auf Rechtsfragen rund um Betriebsansiedlungen sowie grenzüberschreitende Vertriebs- und Handelstätigkeiten angelegt. 

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Kommentare

21
Mär 23

sehr interessanter Artikel!

INS

Sehr interessanter Artikel.
Wird ein Schuldner (Einzelunternehmung), mit Wohnsitz in der Schweiz, in Wien betrieben . Darf die österreichische Konkursverwaltung Einsicht bei einer Schweizer Behörde auf schweizerische Vermögenswerte verlangen? Braucht es ein Amtshilfegesuch?