Wenn Sie als ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen Dienstleistungen in Österreich durch eigenes Personal physisch erbringen möchten, gilt es einige wichtige Punkte zu beachten und Formalitäten einzuhalten. Dieser Blog-Beitrag soll das Thema der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung näher beleuchten und Ihnen als betroffenes Unternehmen ein paar wichtige Hinweise für ein rechtskonformes Handeln geben.*
Was versteht man unter grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung?
Unter grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung wird das vorübergehende und gelegentliche Erbringen von gewerblichen Dienstleistungen in Österreich durch ein in der Schweiz niedergelassenes und dort bereits tätiges Unternehmen verstanden. Dabei ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer von der Schweiz aus nach Österreich entsandt wird oder der Arbeitnehmer in (bereits) Österreich wohnt. Dh, immer dann wenn ein Unternehmen in Österreich noch über keine Niederlassung verfügt (sei es in Form einer Zweigniederlassung oder in Form einer eigenen Tochtergesellschaft) und in Österreich tätig wird, ist der Anwendungsbereich einer grenzüberschreitenden Tätigkeit gegeben.
Darf ein Schweizer Unternehmen grenzüberschreitend in Österreich tätig werden?
Grundsätzlich sind Gesellschaften, die nach dem schweizerischen Recht gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung in der Schweizerischen Eidgenossenschaft haben, hinsichtlich der Gewerbeausübung in Österreich Unternehmen aus dem EU-/EWR-Raum gleichgestellt. Das sieht die Bestimmung in § 373b der Gewerbeordnung explizit vor.
Welche Punkte müssen beachtet werden und was gilt es – vorab – vorzukehren
- Der Sitz oder Hauptniederlassung muss sich in der Schweiz befinden.
- Es darf maximal 90 Tage im Kalenderjahr grenzüberschreitend in Österreich gearbeitet werden; Wenn die Dienstleistungen an mehr als 90 Tagen im Kalenderjahr in Österreich erbracht werden sollen, so ist die Gründung einer Niederlassung in Österreich (Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft) sowie eine Gewerbeanmeldung zwingend notwendig. In diesem Fall darf man die Geschäftstätigkeit erst mit der Gewerbeanmeldung aufnehmen. Die Anerkennung der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit (§ 373c) oder Gleichhaltung der Schweizer Befähigung (§ 373d) ist im Falle eines reglementierten Gewerbes ebenso durchzuführen. Vorsicht: Die «Privilegierung» (im Sinne der Dienstleistungsfreiheit), dass ein Unternehmen aus der Schweiz in Österreich – ohne eine Niederlassung in Österreich haben zu müssen – während max. 90 Tage/J tätig werden kann, ist nur dann möglich, wenn es sich bloß um eine vorübergehende und gelegentliche Dienstleistungserbringung handelt. Sobald jedoch systematisch und schwerpunktmäßig eine Tätigkeit in Österreich ausgeübt wird, ist die Gründung einer Niederlassung (in Form einer Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft) aus gewerberechtlicher Sicht zwingend erforderlich. Dh, eine Niederlassung ist nicht erst dann erforderlich, wenn die zeitliche Grenze von 90 Tagen überschritten wird, sondern das kann auch gleich vom ersten Tag an der Fall sein, wenn bspw. ein Unternehmen einen Mitarbeiter nach Österreich entsendet (oder einen Mitarbeiter mit Wohnsitz in Österreich anstellt), damit dieser den Markt in Österreich bearbeitet bzw. Akquisitionstätigkeiten (udgl.) betreibt.
- Die Ausübungsvorschriften, die auch für Inländer gelten, sind zu beachten. Außerdem enthält § 373a Abs 8 GewO noch zusätzliche Vorschriften über Informationspflichten, die gegenüber den Dienstleistungsempfängern in Österreich einzuhalten sind sowie Vorschriften über das Führen von Berufsbezeichnungen.
- Wichtig ist vorab auch zu klären, um welches Gewerbe es sich handelt. Die österreichische Gewerbeordnung unterscheidet zwischen sog. freien und reglementierten Gewerben. Freie Gewerbe können von jedem Schweizer Unternehmen ausgeübt werden. Einzige Voraussetzung ist, dass in der Schweiz das Gewerbe befugt ausgeübt wird. Für die Ausübung von reglementierten Gewerben (diese sind in § 94 GewO aufgeführt), ist vor Aufnahme der Tätigkeit durch den Dienstleister oder den verantwortlichen Vertreter einer Gesellschaft ein Antrag auf Anerkennung der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit (§ 373c) oder Gleichhaltung der Schweizer Befähigung (§ 373d) beim örtlich zuständigen Landeshauptmann zu stellen. Erst nach positiver Erledigung des Antrages darf mit der Tätigkeit in Österreich begonnen werden. Eines Befähigungsnachweises für reglementierte Gewerbe bedarf es in der Regel jedoch nicht, wenn diese in der Form eines Industriebetriebes ausgeübt werden.
- Eine weitere Formalität, die zu beachten ist: Wenn es sich um ein reglementiertes Gewerbe handelt, dann muss die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung vorab beim hierfür zuständigen Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort angezeigt werden. Diese Anzeige ist jährlich zu erneuern, wenn das Unternehmen beabsichtigt, während des betreffenden Jahres in Österreich Dienstleistungen zu erbringen.
- Im Zuge der 90-tägigen Gewerbeausübung darf keinerlei feste Einrichtung in Österreich geschaffen werden (Büro, Niederlassung, Werkstätte etc.), da ansonsten keine Dienstleistungserbringung mehr, sondern schon eine Niederlassung vorliegt.
- Grundsätzlich gelten für Arbeitsverhältnisse entsandter Arbeitnehmer die Rechtsvorschriften des Entsendestaates, also des Staates, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, in unserem Fall also Schweizer Recht. Bestimmte österreichische Vorschriften des Arbeitsrechts** sind jedoch zwingend einzuhalten (wie insbesondere die Regelungen bezüglich der Höchstarbeitszeiten, der Mindestruhezeiten, Ansprüche des Arbeitnehmers auf zumindest das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das in Österreich für vergleichbare Tätigkeiten bei vergleichbaren Unternehmen gebührt sowie zwingende Mindest-Urlaubsansprüche, Arbeitnehmerschutzvorschriften – insbesondere Bestimmungen über den Schutz von Kindern, Jugendlichen, Schwangeren und Müttern sowie Vorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz). Überschreitet die tatsächliche Entsendung oder Überlassung eines Arbeitnehmers aus dem EWR oder der Schweiz die Dauer von zwölf Monaten, finden auf solche Arbeitsverhältnisse ab diesem Zeitpunkt die österreichischen gesetzlichen und durch Verordnung oder Kollektivvertrag festgelegten Arbeitsrechtsnormen zur Gänze Anwendung, soweit diese Normen günstiger sind, als die entsprechenden Normen des Entsendestaates.
- Nebst den obgenannten Formalitäten gilt es zusätzlich auch noch die Regulativen (insbesondere die Meldepflichten) des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (kurz LSD-BG) zu beachten: Wenn das entsendete Personal normalerweise in der EU oder der Schweiz wohnt und arbeitet, ist eine Meldung der Entsendung nach Österreich gemäß § 19 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz zwingend nötig. Die Meldung hat vor Beginn der Entsendung zu erfolgen. Empfängerin der Entsendemeldung ist die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung (kurz: ZKO) des Bundesministeriums für Finanzen (BMF). Die Meldung hat ausschließlich automationsunterstützt unter Verwendung der Formulare des BMF (ZKO 3) zu erfolgen. Der Inhalt der Meldung wird in § 19 Abs. 3 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz festgelegt, es handelt sich dabei um Angaben zum Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Arbeitseinsatz in Österreich. Das Formular ist online verfügbar. Ist in Erfüllung von Dienstleistungsverträgen, von Dienstverschaffungsverträgen oder innerhalb eines Konzerns im Sinne des § 15 AktG und des § 115 GmbHG der wiederholte grenzüberschreitende Einsatz von Arbeitnehmern vereinbart, kann vor der erstmaligen Arbeitsaufnahme eine Meldung der Entsendungen oder Überlassungen in Bezug auf einen inländischen Auftraggeber oder Beschäftiger jeweils für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten (Rahmenzeitraum) erstattet werden (§ 19 Abs 5 LSD-BG). ACHTUNG: Diese Regelung gilt nicht für Entsendungen von Mitarbeitern im Baugewerbe!
- Wichtig zu erwähnen ist noch, dass im Rahmen einer grenzüberschreitenden Tätigkeit es die Pflicht des Arbeitgebers ist, die "Meldeunterlagen" während des Entsendezeitraumes am Einsatz/Arbeitsort bereitzuhalten. Das sind insbesondere eine Abschrift der Meldung der Entsendung (ZKO3) und der allfälligen Meldung über nachträgliche Änderungen (Änderungsmeldung), Unterlagen über die Anmeldung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument A 1 oder E 101) und, sofern für die Beschäftigung der entsandten Arbeitnehmer im Sitzstaat des Arbeitgebers eine behördliche Genehmigung erforderlich ist, die Genehmigung oder deren Abschrift. Weiters sind alle Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich, deren Arbeitnehmer in Österreich Arbeitsleistungen erbringen verpflichtet, jene Lohnunterlagen, die zur Ermittlung des dem Arbeitnehmer nach österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlich sind, im Inland, in deutscher Sprache, während der Dauer der Beschäftigung oder des Zeitraums der Entsendung insgesamt am Arbeits(Einsatz)ort in Österreich bereit zu halten oder diese unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen, auch wenn die Beschäftigung des einzelnen Arbeitnehmers in Österreich früher geendet hat. Erforderliche Lohnunterlagen in deutscher Sprache sind: Arbeitsvertrag oder Dienstzettel, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem entsandten Arbeitnehmer für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts. Der Arbeitsvertrag kann auch in englischer Sprache bereitgehalten werden.
- Es gibt aber auch Ausnahmen, für die das LSD-BG nicht gilt: So bei Arbeitseinsätzen von geringem Umfang und kurzer Dauer; Entsendungen innerhalb eines Konzerns (Konzernprivileg) sowie wenn eine der Ausnahmen gemäß § 1 Abs 8 LSD-BG greift. Es ist daher vor jeder Entsendung zu prüfen, ob man allenfalls unter einer dieser Ausnahmen fällt.
- Das LSD-BG sanktioniert Verstöße im Zusammenhang mit den Melde- und Bereithaltungspflichten sowie im Falle von Unterentlohnung mit empfindlichen (Verwaltungs-)Geldstrafen sowie mit einer Untersagung der Dienstleistung. Ferner eröffnet die Missachtung dieser Pflichten ein Angriffsfeld für (rechtskonform agierende) Mitbewerber, die gegen solche Verstöße insb. mit wettbewerbsrechtlichen Klagen vorgehen könnten. Es ist daher ratsam, vor Aufnahme einer grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung die Formalitäten genau einzuhalten.
* Im Sinne einer besseren Lesbarkeit des Texts wurde entweder die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts. Frauen und Männer mögen sich vom Inhalt dieses Blogs-Beitrags gleichermaßen angesprochen fühlen. Danke für Ihr Verständnis!
** Mehr Informationen dazu finden Sie in unserer Blogartikel-Reihe zum Thema Arbeitsrecht.
Autor: Lic. iur. Michael Pérez
Michael Pérez ist Rechtsanwalt und Partner bei Prettenhofer Raimann Pérez Tschuprina Rechtsanwaltspartnerschaft (LAWCO. Rechtsanwälte). Er hat seine juristische Ausbildung in der Schweiz abgeschlossen und war anschließend für einige Jahre in der Schweiz als Rechtsanwalt tätig. Seine Anwaltszulassung in Österreich erhielt er im Jahre 2006 und betreut seither von Wien aus speziell Mandanten mit bilateralen Verbindungen in die Schweiz und nach Österreich nach dem „One-Stop-Shop“-Prinzip. Der Fokus ist hier vor allem auf Rechtsfragen rund um Betriebsansiedlungen sowie grenzüberschreitende Vertriebs- und Handelstätigkeiten angelegt.
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