Einleitend zunächst ein Fall aus der Praxis: Die M-Handels AG mit Sitz in der Schweiz hat über eine österreichische Plattform eine gebrauchte Industriebohrmaschine von einem österreichischen Händler gekauft. Der Vertragsabschluss erfolgte formlos via E-mail-Verkehr. Nachdem die Maschine bezahlt und in die Schweiz geliefert worden ist, musste die M-Handels AG feststellen, dass diese nicht den vereinbarten Spezifikationen entspricht. Nachdem eine einvernehmliche Lösung nicht erzielt werden konnte, möchte die M-Handels AG nunmehr den österreichischen Händler in die Haftung nehmen bzw. den Gerichtsweg beschreiten. Sowohl die M-Handels AG als auch der österreichische Händler haben auf ihren jeweiligen Websites ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aufgeführt, in welchen u.a. jeweils das „eigene Recht“ (also schweizerisches bzw. österreichisches Recht) sowie der Gerichtsstand am jeweiligen Sitz für anwendbar erklärt werden.
Was gilt nun in so einem Fall, welche AGB‘s gelten und welches Recht kommt zur Anwendung? Und wo muss die M-Handels AG ihre Klage einbringen?
Wirksame Einbindung von AGB’s
Damit AGB‘s zum Vertragsinhalt werden, müssen diese (vorher) ausdrücklich in den Vertrag eingebunden werden. In unserem Fall hätte die M-Handels AG im Rahmen ihrer Anfrage (spätestens bei ihrer Bestellung) an den österreichischen Händler ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass sie nur unter Zugrundlegung ihrer AGB die Industriebohrmaschine kauft. Dabei ist es wichtig, dass die M-Handels AG ihre AGB‘s ihrem Vertragspartner auch zugänglich macht (am besten mit einem direkten Link/Verweis auf die in ihrer Website abrufbaren AGB‘s). Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach Vertragsabschluss vorgenommene (einseitige) Verweise betreffend die Geltung von AGB’s (wie insbesondere in Rechnungen) nicht wirksam sind. Die AGB der M-Handels AG gelten aber auch nur dann, sofern der österreichische Händler nicht auch selbst seine AGB’s (im Rahmen seiner Angebotslegung/Auftragsbestätigung) für anwendbar erklärt hat. In diesem Fall liegt ein sog. „battle of the forms“ vor[1].
Nun, dies alles ist im vorliegenden Fall nicht passiert. Das bedeutet, dass die Vertragsparteien bezüglich der Frage des anwendbaren Rechts und des Gerichtsstandes keine Vereinbarung getroffen haben, womit das dispositive Recht zur Lösung dieser Rechtsfragen herangezogen werden muss. Hinsichtlich des anwendbaren Rechts kommt im gegenständlichen Fall das sog. Wiener Kaufrecht (UN-Kaufrecht) zur Anwendung, das ganz eigene (autonome) Regeln über den Kauf von beweglichen Sachen beinhaltet. Gerade aus Sicht des Käufers ist in so einem Fall größte Vorsicht geboten, weil für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen (mitunter) sehr kurze Fristen zu beachten sind. Das ist auch der Grund, weshalb in internationalen Kaufverträgen in der Regel die Anwendung des Wiener Kaufrechts ausgeschlossen wird.
Bezüglich des Gerichtsstands gilt es im Verhältnis Österreich-Schweiz das sog. Lugano Übereinkommen [2] zu berücksichtigen (und nicht etwa die EuGVVO, da die Schweiz kein EWR/EU-Mitglied ist). Gemäß diesem Übereinkommen kann eine Vertragspartei nicht nur an ihrem Sitz (allgemeine Gerichtsstand des Beklagten) sondern auch in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, sofern der Erfüllungsort (gemäß Vertrag) in diesem Vertragsstaat liegt. In unserem Fall war es vereinbart, dass der österreichische Händler die Maschine in das Lager der M-Handels AG in die Schweiz zu liefern hat. Damit liegt der Erfüllungsort in der Schweiz und die M- Handels AG kann ihren österreichischen Vertragspartner in der Schweiz verklagen.
Vorsicht bei Gerichtsstandsvereinbarungen
Anders als bei einer Rechtswahlklausel bedarf es für die Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, dass diese entweder schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung abgeschlossen wird. Es ist zwar unter Umständen auch eine andere Form möglich, nämlich eine solche, die den zwischen den Parteien entstandenen Gepflogenheiten entspricht oder im internationalen Handel auch einem Handelsbrauch. Um hier jedoch Rechtssicherheit zu haben, ist eine schriftliche Vereinbarung jedenfalls zu empfehlen. Daraus folgt, dass eine Gerichtsstandsklausel, die in den AGB enthalten ist, durch einen simplen Verweis (wie eingangs dargestellt) nicht zum Vertragsinhalt wird.
Wie im vorliegenden Fall kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass die Parteien die Frage der Einbindung ihrer AGB’s (und damit die in diesen regelmäßig aufgeführten Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln) überhaupt nicht oder nur ungenügend bedenken bzw. falsch einschätzen. Gerade im grenzüberschreitenden Verkehr (und vor allem außerhalb von Europa) ist es jedoch wichtig, diesem Aspekt eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Insbesondere dann, wenn eine Partei den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass auf den Vertrag ausländisches Recht Anwendung findet und man sogar vor einem ausländischen Gericht verklagt werden kann.
Im Sinne einer besseren Lesbarkeit des Texts wurde entweder die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts. Frauen und Männer mögen sich vom Inhalt dieses Blogs-Beitrags gleichermaßen angesprochen fühlen. Danke für Ihr Verständnis!
[1] Nach der Rechtsprechung führen einander (teilweise) widersprechende AGB zur Teilnichtigkeit des Vertrages in Bezug auf jene (Neben-)Bestimmungen, hinsichtlich derer keine Willensübereinstimmung erzielt werden konnte. Der Vertrag selbst bleibt gültig, soweit die Einigung reicht und die Parteien den Vertrag tatsächlich erfüllt haben. Hinsichtlich der abweichenden Bestimmungen liegt ein sogenannter Teildissens vor, der insoweit zur Teilnichtigkeit des Vertrages führt. Die unwirksamen Bestimmungen werden dann durch dispositives (Gesetzes-)Recht ersetzt.
[2] Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988
Autor: Lic. iur. Michael Pérez
Michael Pérez ist Rechtsanwalt und Partner bei Prettenhofer Raimann Pérez Tschuprina Rechtsanwaltspartnerschaft (LAWCO. Rechtsanwälte). Er hat seine juristische Ausbildung in der Schweiz abgeschlossen und war anschließend für einige Jahre in der Schweiz als Rechtsanwalt tätig. Seine Anwaltszulassung in Österreich erhielt er im Jahre 2006 und betreut seither von Wien aus speziell Mandanten mit bilateralen Verbindungen in die Schweiz und nach Österreich nach dem „One-Stop-Shop“-Prinzip. Der Fokus ist hier vor allem auf Rechtsfragen rund um Betriebsansiedlungen sowie grenzüberschreitende Vertriebs- und Handelstätigkeiten angelegt.
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