Im Oktober haben wir uns mit dem Thema Arbeitsrecht im Hinblick auf die unterschiedlichen Systeme der kollektivvertraglichen Regelungen in Österreich beschäftigt. Im heutigen Beitrag befassen wir uns mit den entsprechenden Regelungen in der Schweiz. In der Schweiz ist das System hinsichtlich überbetrieblicher Regelungen ein etwas anderes als in Österreich. Nicht nur, dass es den Terminus „Kollektivvertrag“ in der Schweiz so nicht gibt, auch hinsichtlich der Verbindlichkeitswirkung ist die Situation eine andere als in Österreich.
In der Schweiz werden überbetrieblich Vereinbarungen in einem sog. Gesamtarbeitsvertrag getroffen. Der Gesamtarbeitsvertrag ( kurz „GAV“) ist ein Vertrag zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden und Arbeitnehmerverbänden zur Regelung der Arbeitsbedingungen und des Verhältnisses zwischen diesen Parteien. Die rechtliche Grundlage findet sich in den Artikeln 356 bis 358 des Obligationenrechtes. Auf der Arbeitgeberseite kann ein Arbeitgeber oder können mehrere Arbeitgeber oder Arbeitgeberverbände, auf der Arbeitnehmerseite immer nur ein Arbeitnehmerverband (Gewerkschaft) oder mehrere Arbeitnehmerverbände stehen.
Der klassische Inhalt eines GAV beinhaltet Bestimmungen über den Abschluss, Inhalt und Beendigung des Einzelarbeitsvertrages (sog. normative Bestimmungen), Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien unter sich (sog. schuldrechtliche Bestimmungen) und Bestimmungen über Kontrolle und Durchsetzung des GAV.
Die normativen Bestimmungen eines GAV werden mit seinem Inkrafttreten Teil des Einzelarbeitsvertrages. Eine direkt Geltung für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sie aber nur dann, wenn sie selber Mitglied eines vertragschließenden Verbandes sind und wenn der Arbeitgeber ebenfalls am GAV beteiligt ist. Will man daher als Arbeitnehmer durch einen GAV geschützt sein, muss man einem Arbeitnehmerverband beitreten.
In der Praxis ist es aber oft so, dass die beteiligten Arbeitgeber den GAV in der Regel aber auch für nicht-organisierte Arbeitnehmende anwenden. Wenn ein GAV allerdings eine sog. Ausdehnungsklausel beinhaltet, müssen die beteiligten Arbeitgeber die arbeitsvertraglichen Bestimmungen des GAV auch gegenüber den nicht-beteiligten Arbeitnehmern einhalten.
- Lohn, 13. Monatslohn, Entschädigungen,
- Lohnfortzahlung bei Verhinderung wegen Krankheit, Mutterschaft und Militärdienst
- Ferien
- Arbeitszeitvorschriften
- Erweiterung des Kündigungsschutzes.
Ein GAV wird meistens mit einer bestimmten Laufzeit vereinbart. Während der Laufzeit besteht beidseitig Friedenspflicht.
Auf Verlangen aller Vertragsparteien kann ein GAV allgemeinverbindlich erklärt werden mit der Wirkung, dass dann der Geltungsbereich auf alle Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (auch auf die nicht-organisierten) eines Wirtschaftszweiges oder eines Berufes ausgeweitet wird. Erst mit diesem Schritt hat ein GAV in der Schweiz eine nahezu ähnliche (breite) Verbindlichkeitswirkung wie ein Kollektivvertrag in Österreich.
Eine Übersicht über die derzeit allgemeinverbindlich erklärten GAV (auf Kantons- und Bundesebene) und deren Laufzeit finden Sie auf der Website des SECO (Staatssekretariat für Wirtschaft).
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